Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
ungewöhnlicheren Leuten, die ihm in seinem speziellen Gewerbe begegneten, im Sturm erobert. Noch vor einer Woche hätte sie möglicherweise ein drittes Glas Wein bestellt, ein viertes, und sich in eine warme Willigkeit sinken lassen. Statt dessen dachte sie die ganze Zeit nur daran, wie knapp sie dem Schicksal entgangen war, entdeckt zu werden, fragte sich jedesmal, wenn er sie mit einem seiner durchdringenden Blicke bedachte, ob er jetzt gleich verkünden werde, er wisse genau, was sie getrieben habe.
    Ob er sie nun der Falschheit verdächtigte oder nicht, irgend etwas tat sich mit Sicherheit unter der Oberfläche. Dread hatte immer wieder einmal diese aufgeputschten, geradezu fiebrigen Anfälle von Euphorie. An diesem Abend auch, aber gepaart mit dem wachsamen Dread, den sie ebenfalls kannte, so als ob er sich hart an die Kandare nahm, weil er wußte, daß er kurz davor war, die Zügel völlig schießen zu lassen. Auf dem Heimweg vom Restaurant verfiel er in Stillschweigen und sah weder sie noch die regennassen Straßen an, sondern hielt den Blick auf einen Punkt irgendwo über dem unsichtbaren Horizont gerichtet. Sein Schritt war federnder als sonst, zeugte von einer leichten, aber ständigen Muskelanspannung, so daß man meinen konnte, er allein von allen Menschen hätte die Schwerkraft überwunden, aber beschlossen, dennoch weiter so zu tun, als unterläge er ihr.
    Im Hauptraum des Loft war die Deckenbeleuchtung noch aus, und nur die roten und weißen Lichtpünktchen des Komabettes ließen die dunklen Wände hervortreten. Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. Er war erschreckend stark, selbst bei dieser raschen und offenbar beiläufigen Bewegung, so daß sie im ersten Moment befürchtete, er wolle ihr das Rückgrat brechen. Sie zweifelte nicht daran, daß er dazu in der Lage war. Doch dann legte er seine Wange an ihre und die Lippen dicht an ihr Ohr.
    »Wollen wir tanzen, Süße? Ich hab Musik in mir drin, weißt du? Ich kann sie für dich spielen.«
    Die Chance zu einem lockeren Abgang hatte sie bereits verspielt, indem sie bei seiner Berührung stocksteif geworden war. Die Vorstellung, mit diesem Mann Sex zu haben, erschien ihr plötzlich viel bestürzender, als sie es sich jemals ausgemalt hatte, erfüllte sie mit einem Grauen, das nichts mit der etwaigen Reue am Morgen danach zu tun hatte. Eine kleine Stimme tief in ihrem Innern – das Kind, das sich alle Geschichten merkte – quiekte: Er will deine Seele stehlen …! Sie zwang sich zur Ruhe, obwohl sie sicher war, daß er mit seinen scharfen tierischen Sinnen ihre Furcht wittern mußte. »Ich … ich fühl mich nicht besonders. Krämpfe. Aber … es war ein sehr netter Abend.«
    Seine Zähne bissen ganz, ganz sanft in ihr Ohrläppchen. Der leichte Schmerz schoß ihr wie ein schwarzer Blitz durchs Rückgrat. »He, Dulcy, Süße, du würdest doch keine Spielchen mit ’nem Kerl treiben, oder?«
    »Nein.« Ihr Herz schlug schmerzhaft heftig. Ich bin ganz allein. »Nein, ich bin keine von der Sorte … Sowas mach ich nicht.«
    Er nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und drehte ihr Gesicht, so daß er sie genau anschauen konnte. Sein Lächeln paßte überhaupt nicht zu den dunklen Höhlen, aus denen sein Blick sie traf, ähnlich den schwarzen Augenlöchern einer Maske. Sie verspürte den würgenden Drang, laut aufzuschreien, doch wie in einem Albtraum brachte sie keinen Laut heraus.
    Als er sie losließ, wäre sie beinahe hingefallen.
    »Tja, dann«, sagte er leichthin. »Wenn’s so ist, kann ich ja wieder an die Arbeit gehen. Ist schließlich kein Klacks, Gott zu sein.« Er küßte eine Fingerspitze und tippte damit ihre trockenen Lippen an. »Nicht daß du denkst, ich wär einer von den Typen, die sich nicht beherrschen können.« Er lachte, dann zog er sich völlig unverklemmt aus, um sich wieder auf das Komabett zu legen. Dulcy flüchtete ins Badezimmer.
     
    Ich traue mir selbst nicht mehr, dachte sie. Ich kann nicht sagen, was wirklich ist und was nicht. Ist er ein Monster? Warum hat er mich dann nicht einfach gezwungen? Ich hätte keinen Finger rühren können. Kein Druck, kein Versuch, mir angst zu machen.
    Aber sie hatte Angst, obwohl die logischen Erklärungsinstanzen ihres Tagbewußtseins eifrig Begründungen formulierten, Ausschüsse bildeten, Sitzungen anberaumten.
    Er ist einfach … unheimlich. Finster. Aber was hast du denn erwartet? Der Typ ist ein internationaler Auftragskiller, verdammt nochmal, nicht Muttis

Weitere Kostenlose Bücher