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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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nicht, daß Louisiana nach ihrem Geschmack wäre. Ich nehme an, sie wollte in diesem Park neben meinem Vater beigesetzt werden.« Er kam einfach nicht auf den Namen des sogenannten Gedenkparks, hatte niemals die letzte Ruhestätte seines Vaters besucht – falls man ein quadratisches Loch mit einer Tür davor in einer auf Marmor getrimmten Fibramicwand derart titulieren konnte. »Ich werde mich informieren und ruf dich dann morgen an.«
    »Mach das. Wir sind in The Oaks.« Was auf saloppe Art heißen sollte, daß Niles’ Familie eines ihrer halbjährlichen rustikalen Wochenenden in ihrem Landhaus in Staffordshire verbrachte.
    »Danke, Niles. Du bist ein echter Freund.«
    »Schon gut. Und wie sieht’s bei dir so aus? Ich hatte vor einer Weile einen ziemlich merkwürdigen Anruf von deinen Amerikanern.«
    »Ich weiß.« Er überlegte, ob er Niles die ganze Geschichte erzählen sollte, aber er stand ohnehin schon in der Schuld seines Freundes – wie dankbar mußte man eigentlich jemandem sein, der dafür sorgte, daß man die Verbrennung der eigenen Mutter nicht selbst verfügte? – und wollte diese nicht noch vermehren, indem er ihn mit weitschweifigen Klagen und Verdächten und schlichten Verrücktheiten am Fon festhielt. »Hier ist alles okay. Wird viel zu erzählen geben, wenn wir uns wiedersehen. Ein bißchen absonderlich, aber im großen und ganzen ist alles in Butter.«
    Niles sah ihn fragend an, aber wischte den Blick auf die übliche flotte Art rasch mit einem Lächeln weg. »Prima. Na dann, bleib hübsch sauber, altes Haus. Und das mit deiner Mutter tut mir wirklich leid.«
    »Ich melde mich morgen. Nochmals vielen Dank.«
     
    Es war ihm peinlich, daß er es vor Niles ausgesprochen hatte, doch während der Fahrstuhl lautlos nach oben schoß, wollte ihm das Wort einfach nicht aus dem Kopf gehen.
    Waise. Ich bin eine Waise. Ich habe keinen Menschen mehr …
    Es war wohl wirklich ein wenig übertrieben. Er hatte seine Mutter seit der Abreise aus England nicht mehr gesprochen, und vorher, nach ihrer ersten Krankheitsattacke, hatte er auch nicht gerade Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie an seiner Seite zu haben. Dennoch hatte sich dadurch, daß sie jetzt fort war, eindeutig etwas verändert.
    Wen hast du denn sonst noch? Niles? Er wäre genauso freundlich und umsichtig, wenn es dich erwischt hätte, und dann würde er einfach zur Tagesordnung seines tollen Glamourlebens übergehen. »Ihr erinnert euch doch noch an Paul Jonas«, würde er zu seinen Freunden sagen, die sich nicht erinnerten. »Den hab ich noch von Cranleigh gekannt, und studiert haben wir auch zusammen. Hat in der Tate gearbeitet. Armer, alter Paul…«
    Sie wartete in dem altertümlichen Studierzimmer auf ihn, die feinen Züge starr, beinahe maskenhaft, und bedachte ihn mit einem sehr verhaltenen, sehr höflichen Lächeln. »Treten Sie ein, Herr Jonas. Ich hoffe, daß wir jetzt mit unserem Unterricht beginnen können.«
    Er blieb in der Tür stehen. Das Funkeln in ihren Augen verwirrte ihn, es wirkte aufgeregt, wenn nicht ängstlich. »Ava, ich …«
    »Bitte!« Ihr Lachen war ein wenig zu schrill. »Wir sollten keine Zeit mehr verschwenden. Sie sind bereits etwas spät dran, mein lieber Herr Jonas, wobei das natürlich keine Kritik sein soll. Sie müssen nur verstehen, daß ich zwischen meinen Verpflichtungen zeitlich sehr im Druck bin.«
    Er ließ sich von ihr hineinziehen und konnte gerade noch mit einer schnellen Reaktion verhindern, daß die schließende Tür auf seine freie Hand schlug. Bevor er Atem holen konnte, hatte sie sich ihm an den Hals geworfen und bedeckte sein Gesicht mit Küssen.
    »Ava!« Er versuchte sich von ihr loszumachen, doch sie klebte an ihm wie eine Muschel am Felsen. »Ava! Hast du den Verstand verloren?« Es gelang ihm, einen Arm vor ihren fest korsettierten Bauch zu schieben und sie so weit zurückzudrängen, daß er sie an den Schultern fassen und von sich fernhalten konnte. Erschüttert mußte er sehen, wie ihr die Tränen aus den Augen stürzten.
    »Sie können uns hier nicht sehen!« rief sie. »Unser Freund beschützt uns!«
    Er registrierte am Rande, daß ihr Phantomfreund mittlerweile auch seiner geworden war. »Und wenn schon, Ava! Ich habe dir doch gesagt, daß es ein Unding ist! Daß es einfach nicht sein darf!«
    »Oh, Paul, Paul.« Zu seiner Bestürzung beugte sie den Kopf und küßte seine Hand, die ihren Oberarm umklammert hielt. Obwohl er in seiner furchtbaren Verlegenheit nichts dringender

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