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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hatten keine Anweisung gehabt, etwas mit ihm zu machen, auch nicht, ihn in Gewahrsam zu nehmen, solange er nur auf der Insel blieb. Ein kleiner Trost, aber mehr nicht.
    Völlig durchgeschwitzt, obwohl es ein kühler Morgen war, und sich seiner Ausdünstung durch Jacke und Hemd hindurch sehr bewußt, stand Paul im Foyer vor den Aufzügen und wußte nicht, was er tun sollte. Hieß das, daß sie doch gehört hatten, wie er mit der Tochter des Chefs Gespräche führte, die für die J Corporation vermutlich gleichbedeutend mit Hochverrat waren? Oder konnte es nur ein bedauerliches Versehen sein?
    Er mußte Finney aufsuchen. Wenn er das nicht tat, wenn er einfach seinem Drang nachgab, auf sein Zimmer zu gehen und sich bis zur Besinnungslosigkeit zu besaufen, würde er damit eingestehen, daß diese Behandlung berechtigt war. Er mußte den Unschuldigen spielen.
    Finneys Sekretärin ließ ihn fünfundzwanzig Minuten warten. Der herrliche Ausblick über die Stadt – qualvoll unerreichbar, obwohl sie so nahe zu sein schien, daß er meinte, sich an der Spitze des Hafenturms in den Finger stechen zu können – hob seine Stimmung nur wenig.
    Als er schließlich eingelassen wurde, war Finney gerade dabei, ein Fongespräch zu beenden. Er blickte auf, die Augen hinter den Brillengläsern wie immer nicht richtig zu erkennen. »Was gibt’s, Jonas?«
    »Ich … wurde daran gehindert, die Insel zu verlassen. Von Sicherheitskräften.«
    Finney sah ihn ruhig an. »Warum?«
    »Was weiß ich! Irgendwas mit meiner Marke. Eine Sicherheitssperre sei drauf, hieß es, oder so ähnlich.«
    »Gib sie meiner Sekretärin. Wir werden das klären.«
    Eine Welle der Erleichterung überspülte Paul. »Dann … Kann ich dann eine Ersatzmarke bekommen oder sowas? Ich habe ein paar Sachen in New Orleans zu erledigen.« Die eintretende Stille gab ihm das Gefühl, es ein wenig dringender machen zu müssen. »Meine Mutter ist gestorben. Ich habe verschiedenes zu regeln.«
    Finney blickte auf seinen Schreibtisch, obwohl die Tischplatte vollkommen leer war. Er nickte zerstreut. »Mein Beileid. Wir können das für dich regeln.«
    »Aber ich möchte es selber tun.«
    Finney sah wieder auf. »Gut. Wie gesagt, gib deine Marke meiner Sekretärin.«
    »Aber ich möchte jetzt gehen! Die Insel verlassen, erledigen, was zu erledigen ist. Schließlich … könnt ihr mich nicht hier festhalten. Ihr könnt … mich nicht einfach festhalten.«
    »Aber, mein lieber Jonas, warum diese Eile? Es ist doch bestimmt viel praktischer, alles Nötige übers Netz zu veranlassen. Und diese Sicherheitsprozeduren mögen dir vielleicht lächerlich vorkommen, aber ich kann dir versichern, daß sie todernst sind. Todernst. Stell dir vor, jemand würde versuchen, ohne gültige Marke auf die Insel zu kommen – oder meinetwegen auch von ihr runter. Ich möchte nicht einmal daran denken, was für furchtbare Konsequenzen das haben könnte!« Finney grinste ihn süffisant an. »Also halt dich einfach hübsch still und mach keine Schwierigkeiten, ja? Kümmere dich um deine Schülerin. Wir werden alles bereinigen … zu seiner Zeit.«
    Im Fahrstuhl konnte Paul sich kaum noch auf den Beinen halten. Er stolperte zu seinem Zimmer, knipste alle Lichter aus und schaltete sehr entschieden den Wandbildschirm ab. Als schließlich nur noch ein schmaler Lichtstreifen zwischen Fenster und Rolladen in die Dunkelheit drang, setzte er sich hin und suchte sein Heil in der Volltrunkenheit.
     
    Er sah seine Finger den Aufzugknopf berühren, sah das in den Flur einfallende Morgenlicht hinter der zuzischenden Tür verschwinden – er sah es, aber es bedeutete ihm nichts. Die Trunkenheit wirkte immer noch nach, gab ihm ein verdrehtes, fiebriges Gefühl der Losgelöstheit. Er wußte nicht, wie spät es war, wußte nur, es war Morgen, wußte nur, er konnte nicht noch so eine Nacht voll ungeheuerlicher Träume verkraften.
    Der Fahrstuhl ging auf, und er stand vor der inneren Tür. Er mußte sich anlehnen und den Kopf an den kühlen Rahmen legen, während er unbeholfen seinen Code eingab und die Hand auf das Lesefeld drückte. Benommen blieb er noch eine Weile so stehen, nachdem das Schloß aufgeklickt war, dann setzte er sich schwerfällig in Bewegung.
    Eines der Stubenmädchen machte gerade die Haustür auf, als er angetorkelt kam. In ihrem erschrockenen Blick sah er eine ganze Täuschungsmaschinerie arbeiten. »Du bist real«, sagte er. »Also mußt du eine Lügnerin sein.«
    »Wo wollen Sie hin, Sir?« Sie trat

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