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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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des Sees abgelöst worden, das Wasser rotgolden im Licht der untergehenden Sonne, überragt vom schwarzen Zacken des Turms, ganz ähnlich wie Olga ihn beim erstenmal gesehen hatte. Sie schloß die Datei und stellte die Bildsicht aus, und im Nu erschien um sie herum wieder die Lagerhalle. Sie hatte ihre Anrufleitung die ganze Zeit über offen gehabt. Ramsey und Sellars hatten immer noch nicht versucht, sie zu erreichen.
    Beim Aufstehen merkte Olga, wie steif sie durch das lange Stillsitzen geworden war.
    Du bist alt. Was erwartest du denn?
    Doch das war das Geringste. So schwer es ihr fiel, mußte sie sich eingestehen, daß sie auf sich selbst gestellt war, daß sie allein zurechtkommen mußte, ohne fremde Hilfe. Und die körperliche Erschöpfung und das schmerzhafte Ziehen in ihren Muskeln, die von den Putzarbeiten eines ganzen Tages und dann dem endlosen Treppensteigen nach Sellars’ Anweisungen überanstrengt waren, ließen das Ganze noch unmöglicher erscheinen. Was meinte sie denn, ausrichten zu können?
    Wenn Tiere in der Falle sitzen und nichts machen können, rollen sie sich nach einer Weile einfach zusammen. Legen sich schlafen. Sie erinnerte sich, das irgendwo gelesen zu haben. Das war auch bestimmt das Beste, was sie machen konnte: hierbleiben, warten, dösen. Warten.
    Worauf denn warten?
    Auf irgendwas. Weil ich allein völlig hilflos bin.
    Doch obwohl die innere Stimme, die sie zur Vernunft anhielt, ihre eigene war, packte sie die Wut. War sie den weiten Weg gekommen, um sich hier wie eine Ratte im Loch zu verkriechen, bloß weil diesem Sellars irgend etwas dazwischengekommen war? Als sie den Beschluß gefaßt hatte, hierherzufahren, hatte sie noch nicht einmal seinen Namen gekannt – sie hatte ursprünglich vorgehabt, auf eigene Faust zu handeln.
    Aber was genau hatte sie eigentlich vorgehabt? Zugegeben, in das schwerbewachte Konzernhauptquartier einzudringen war ihr vorher so aussichtslos erschienen, daß sie gar nicht darüber hinausgedacht hatte. Sellars’ Eingreifen war zu dem Zeitpunkt ein Segen gewesen. Aber wohin jetzt auf ihrer Suche nach verstummten Stimmen, Geisterkindern?
    Nach oben, dachte sie plötzlich. Dieser Mann hat den Turm hier gebaut. Ihm gehört Onkel Jingle. Er ist es, der die Kinder mit irgendwas vergiftet, sie krank macht. Wenn er dort oben ist, dann kann ich ihn wenigstens wissen lassen, daß jemand über seine Verbrechen Bescheid weiß. Falls ich dort hinkomme. Falls die Wächter mich nicht vorher umbringen. Ich werde es ihm ins Gesicht sagen, und dann mag geschehen, was will.
    Was soll ich denn sonst tun?
    Olga packte ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und machte sich auf den Weg zum Gipfel des Berges.

Kapitel
Der Romamarkt
    NETFEED/NACHRICHTEN:
    Multimilliardär macht Kaufangebot für das Marsprojekt
    (Bild: Krellor auf einer Medienkonferenz in Monte Carlo)
    Off-Stimme: Nachdem er vor wenigen Monaten erst den Bankrott seines Nanotechnikkonzerns erklären mußte, hat der Großindustrielle Uberto Krellor jetzt zur allgemeinen Verblüffung angeboten, das lahmliegende Mars Base Construction Project in Bausch und Bogen aufzukaufen, vorausgesetzt die UN räumen ihm langfristige Verwertungsrechte auf den Mars ein, vor allem Schürfrechte und Eigentumsrechte an terraformierten Siedlungsarealen. Gerüchten nach soll Krellor als Strohmann einer Interessengruppe von Finanziers handeln, die in der Vergangenheit von der Beteiligung am MBC-Projekt ausgeschlossen wurden, weil die UN die vollständige Privatisierung der Marskolonisierung verhindern wollten.
    Krellor: »Die Öffentlichkeit ist es leid, daß die Regierungen mit ihren Sperenzchen weiterhin Steuergelder verschleudern. Man sollte einen Geschäftsmann an die Sache ranlassen, jemanden, der es gewohnt ist, Risiken einzugehen. Wenn ich Erfolg habe, wird das ein Triumph für die gesamte Menschheit sein …«
     
     
    > Sam Fredericks hatte einiges gesehen, seit sie sich in diesem Netzwerk aufhielt. Nach dem blutigen Höhepunkt des Trojanischen Krieges, einer Schlacht zwischen ägyptischen Göttern und Sphinxen und einem Angriff riesiger fleischfressender Salatzangen hätten normale Wunder sie eigentlich anöden müssen, aber dennoch fand sie es einigermaßen beeindruckend, wie beim Gang über den Fluß das andere Ufer auf einmal nicht mehr wiederzuerkennen war.
    Der Fluß selbst – tintenschwarz unter dem dunklen Abendhimmel, weiß durchschossen, wo er an Felsen brandete – wirkte weitgehend unverändert. Unter günstigeren

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