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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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können sie jetzt nicht aufwecken«, sagte er. »Das muß Herr Sellars machen, aber er hat im Augenblick sehr viel zu tun. Wir müssen uns einfach gedulden.«
    »Wird er Cho-Cho auch aufwecken?« Aus irgendeinem Grund wünschte sie sich das sehr. Sie wußte nicht, warum. Von ihr aus konnte der Junge gern irgendwo anders in der Welt hingehen, aber sie wollte nicht, daß er immer und ewig so schlackerig dalag, selbst wenn sie nicht da war und es nicht mit ansehen mußte. »Du mußt ihn retten. Er hat echt Angst.«
    »Hat er dir das gesagt?« fragte ihre Mami.
    »Ja. Nein. Aber das hab ich gemerkt. Ich hab noch nie im Leben jemand gesehen, der so große Angst hatte.«
    Die Erwachsenen setzten ihre Unterredung fort. Nach einer Weile schlüpfte Christabel unter Mamis Arm weg und ging auf die Suche nach etwas Warmem. Sie war nicht stark genug, um von einem der Betten die festgeklemmten Decken herunterzuziehen, deshalb holte sie aus dem Bad zwei große Handtücher und schlang eines um Herrn Sellars’ schmale Schultern. Das andere legte sie über den kleinen Jungen und zog es ihm wie eine Decke bis ans Kinn, so daß es aussah, als ob er tatsächlich auf dem Schoß ihrer Mutter ein Nickerchen machte.
    »Hab keine Angst!« flüsterte sie ihm ins Ohr. Sie tätschelte seinen Arm und beugte sich wieder heran. »Ich bin ja da«, sagte sie so leise, daß nicht einmal Mami es hören konnte. »Also hab bitte keine Angst!«
     
     
    > »… um einen Kern aus Fibramic herum, wobei dies eines der ersten Male war, daß ein Hochhaus aus diesem synthetischen Material gebaut wurde. Die spiralig darum gezogene Einkleidung aus einem speziell beschichteten Wärmedämmglas hat eine Form hervorgebracht, die fast jeden Interpreten zu einer anderen Deutung inspiriert hat und mit allem möglichen verglichen worden ist, von einem erhobenen Finger über einen Berg bis zu einem schwarzen Eiszapfen. Die unbestreitbare Ähnlichkeit mit einem menschlichen Finger hat dem Turm im Lauf der Jahre mehr als einen bissigen Kommentar eingetragen, darunter auch die berühmte Bemerkung eines Journalisten, der Gründer der J Corporation Felix Jongleur habe von dem gefügigen Parlament von Louisiana alles zugestanden bekommen, woran ihm gelegen war – ›und jetzt zeigt er dem Rest der Menschheit den Stinkefinger‹…«
    Olga hielt die Infodatei bei einem Blick von oben auf das gewaltige Gebäude an, in das sie sich eingeschmuggelt hatte. Sie war in voller Immersion, aber sie hatte keine Lust, den Blickpunkt zu ändern, und sie wußte ohnehin nicht genug über solche Gebäude, um nach etwas Bestimmtem Ausschau halten zu können. Was hatte Sellars gesagt – es müsse einen anderen Raum mit der ganzen übrigen Technik geben? Ohne seine Anleitung und seinen Schutz hatte sie nicht die geringste Chance, diesen Raum ausfindig zu machen. Und sich dabei nicht erwischen zu lassen. Aber das war sein Projekt, nicht ihres. Was konnte sie dadurch, daß sie Telekomanlagen untersuchte, schon über die Stimmen erfahren, die sie hierhergelockt hatten?
    Sie seufzte und ging kurz aus der Immersion, um sich zu vergewissern, daß sie in der riesigen Lagerhalle noch allein war. Dann ließ sie die Datei, die sie von einem Spezialknoten über Wolkenkratzer abgesaugt hatte, weiterlaufen.
    »Mit seiner Höhe von knapp unter dreihundert Metern, Sendemast und Satellitenschüsseln auf dem Dach nicht mitgerechnet, ist der Turm der J Corporation seit seinem Bau zwar von mehreren neueren Gebäuden weit übertroffen worden, am spektakulärsten wohl vom fünfhundert Meter hohen Wolkenkratzer der Gulf Financial Services, aber er ist immer noch eines der höchsten Bauwerke in Louisiana. Seine Bekanntheit verdankt er vor allem der gewaltigen bautechnischen Leistung, derer es bedurfte, um die künstliche Insel zu schaffen, auf der er steht – beziehungsweise die ihn umgibt, denn seine Fundamente gehen genausoweit in die Tiefe wie die Insel –, sowie dem aufsehenerregenden zehnstöckigen Foyer im altägyptischen Stil. Darüber hinaus aber ist der Turm auch der Wohnsitz von Jongleur selbst, dem völlig zurückgezogen lebenden Gründer des Konzerns, der in der Kuppe des schwarzen Riesenfingers einen ausgedehnten Penthousekomplex unterhalten soll, von dem aus er den Lake Borgne, den Golf von Mexiko und fast das ganze südöstliche Louisiana überblicken kann – ein wunderbarer Aussichtsposten, um sich vor Augen zu führen, wieviel davon ihm gehört…«
    Der Gang durch das Foyer war von einer Totale

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