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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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konnte, sah sie, daß der flammende Turm eingestürzt und zu einem Großbrand von gut fünfzig Metern Durchmesser geworden war, von dem aus bereits lodernde Zungen die umgebenden Pflanzenbauten beleckten. Einige Tecks waren unter dem Wust begraben worden – sie sah zuckende Gestalten in den Flammen –, doch sehr viel mehr wimmelten als aufgeregte Masse im sicheren Abstand darum.
    Das Steinmädchen stöhnte. »Ist dir was passiert?« flüsterte Renie. »Hast du was gebrochen?« Die Kleine schien sich bewegen zu können, aber erhob sich nicht. Renie zog das Kind hoch und nahm es auf den Arm. »Welche Richtung?« Das Steinmädchen stöhnte abermals und streckte die Hand aus. Renie lief los.
    Das Gelände war im Dunkeln äußerst unwegsam, denn der feste Boden war völlig von Pflanzen überwuchert, überall Dornenranken und Schlingpflanzen und lange Wurzeln, die nach ihr grapschten und sie zum Stolpern brachten wie bösartige Finger. Nach wenigen hundert Metern rang sie um Atem und fühlte jetzt auch die Prellungen von ihrem Sturz. Sie hielt an und schaute zurück, nachdem sie vorher das zwar kleine, aber sehr massive Mädchen abgesetzt hatte. Zu ihrer großen Erleichterung war das weiter um sich greifende Feuer immer noch von konfus durcheinanderwuselnden Tecks umgeben und konnte sie keine anderen in ihrer Nähe entdecken.
    »Kannst du selber gehen? Ich weiß nicht, ob ich dich noch viel weiter tragen kann.«
    »Ich … vielleicht kann ich.« Das Mädchen erhob sich mühsam. »Ich hab mir die Beine weh getan, glaub ich.«
    »Probier’s. Wenn es nicht geht, trage ich dich wieder. Komm, schnell! Wir wissen nicht, wie lange das Feuer sie noch ablenkt.«
    Sie stolperten hastig weiter. Renies Füße waren wund und ihre Beine über und über zerkratzt und aufgeschürft, aber darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern. Lauf oder stirb, dachte sie. So geht das schon die ganze Zeit in diesem verdammten Netzwerk, vom ersten Moment an. »Sind wir bald da?« fragte sie das kleine Mädchen. »Stimmt die Richtung noch? Kannst du das erkennen?«
    Das Steinmädchen stapfte nur stur voran. Renie blieb keine Wahl, als ihm zu vertrauen.
    Ein rascher Blick zurück jagte ihr den nächsten Schreck ein: Diesmal erspähte sie bleiche Gestalten hinter ihnen. Sie hatte keine Ahnung, ob die Tecks eine Spur verfolgen konnten oder ob das überhaupt welche von denen waren, die den Turm umlagert hatten, aber falls sie nahe genug herankamen, um sie und das Mädchen zu erkennen, würde das keine Rolle mehr spielen. Renie bildete sich nicht ein, daß sie mit dem Kind an der Seite schneller laufen konnte als die leichenblassen Scheusale – sie hatte gesehen, mit welchem Tempo diese dahinschossen, wenn sie wollten.
    Da trat vor ihnen eine Gestalt aus dem dunklen Buschwerk. Renie huchte entsetzt, geriet ins Stolpern und schlug auf ein Knie; das Steinmädchen, an dem sie sich festhalten wollte, zerrte sie mit in das dichte Gestrüpp hinab. Verzweifelt tastete sie den Boden ab, um so etwas wie eine Waffe zu finden – die ihr doch nichts nützen würde, wie sie wohl wußte –, aber der erwartete Angriff blieb aus.
    Die Gestalt vor ihr hatte ein Gesicht.
    »Klement! Wie bist du …? Sie haben dich nicht …?« Der Gralsherr hatte immer noch das absonderliche blaue Wesen auf dem Arm, obwohl es in der finsteren Nacht so gut wie unsichtbar war. »Sie sind hinter uns her«, stieß Renie hervor. »Ich hab sie grade gesehen. Lauf, Mensch, lauf!«
    »Ich … warte.«
    »Worauf denn? Daß du gefressen wirst?«
    Klement schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob das hier der richtige … Ort ist. Ich … wir … fühlen nicht …«
    Renie rappelte sich auf und zog das leise weinende Steinmädchen mit hoch. »Für sowas hab ich jetzt keine Zeit. Mach doch, was du willst, zum Teufel!« Sie nahm die Kleine auf den Arm, ein Spiegelbild von Klement mit seinem unförmigen Schützling, und rannte weiter.
    Einmal hatte Renie beim Umschauen den Eindruck, daß die madenweißen Gestalten sie verfolgten, ein andermal sah sie hinter sich nichts als das ewig gleiche Gewucher. Sie traute ihren eigenen Augen nicht mehr. Ihre Lungen brannten. Sie konnte sich kaum noch vorstellen, daß sie jemals etwas anderes gemacht hatte, als durch diese grüne Albtraumwelt zu fliehen.
    Stolpernd und krabbelnd hastete sie einen langgezogenen Hang hinauf, der Brand in der Stadt nur noch ein kleiner Lichtpunkt hinter ihr in der schwarzen Nacht, als das Steinmädchen auf einmal die Arme fester um

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