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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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nicht den Verstand verloren hat?«
    »Ich habe keinerlei Alternativen, Frau Sorensen.« Sellars schien kurz vor dem völligen Zusammenbruch zu stehen.
    »So, aber ich.« Sie wandte sich ihrem Mann zu. »Ich hab dir gesagt, es ist schon schlimm genug, daß eine solche … Spinnerei uns alle zur Flucht aus unserm Haus getrieben hat, als wären wir polizeilich gesuchte Verbrecher. Aber wenn du denkst, ich lasse zu, daß Christabel weiter reingezogen wird in dieses … dieses … Hirngespinst …!«
    »Es ist die Wahrheit, Frau Sorensen«, unterbrach Ramsey sie. »Ich wünschte, es wäre nicht so. Aber …«
    »Ramsey, was hast du denn da zu schaffen?« sagte Sellars mit überraschender Schärfe. »Du solltest doch die Verbindung zu Olga Pirofsky halten.«
    »Sie will nicht mit mir reden. Ich soll dir sagen, du sollst dich beeilen – sie wartet auf ihren Sohn.« Das Gespräch war natürlich sehr viel absonderlicher gewesen. Die Olga, mit der er gesprochen hatte, glich in nichts mehr der Frau, die er vorher gekannt hatte, war distanziert und geradezu erschreckend kühl gewesen, so als ob Sellars ihn mit ganz jemand anders verbunden hätte. Sie hatte überhaupt nicht auf seine Mitleids- und Beileidsbezeigungen reagiert, ja hatte den Anschein erweckt, sie gar nicht recht zu begreifen. Wie Sellars schien sie sich in intergalaktische Fernen zurückgezogen zu haben.
    »Wir haben nur diese eine Chance«, erklärte Sellars. »Wenn ich das Betriebssystem nicht erreichen kann, ist alles verloren. Doch selbst jetzt, wo so viele Menschenleben auf dem Spiel stehen, kann ich euch nicht zwingen.«
    »Nein«, versetzte Christabels Mutter bissig. »Das kannst du nicht. Nie und nimmer.«
    »Kaylene …« In seiner Verzweiflung klang Major Sorensen zornig und hilflos zugleich. »Wenn Christabel nichts zustoßen kann …«
    »Das hat er nie gesagt!« fauchte seine Frau. »Schau dir den kleinen Jungen nebenan an – der war auch unter dem Schutz dieses Kerls. Soll deiner Tochter vielleicht dasselbe passieren?«
    Sellars sprach wie ein Bergsteiger, der bereits wußte, daß er nicht mehr die Kraft hatte, den Gipfel zu erreichen. »Nein, es gibt keinerlei Garantien. Aber Cho-Chos Fall ist anders. Er ist über seine Neurokanüle direkt an das System angeschlossen. Diese Verbindung kann bei Christabel nicht entstehen.«
    Ramsey kam sich wie ein Verräter vor, aber er mußte es sagen. »Und was ist mit den andern, die im System gefangen sind – von denen haben auch einige keinen direkten neuronalen Anschluß. Viele der Tandagorekinder auch nicht.«
    »Siehst du!« rief Kaylene Sorensen zornig triumphierend.
    »Anders«, widersprach Sellars matt mit kaum noch hörbarer Stimme. »Wenigstens glaube ich das. Das Betriebssystem … Olgas Sohn … stirbt. Ich kann die automatische Zurückleitung… nicht abstellen.«
    Da die Sorensens mit dem Gesicht zum Wandbildschirm standen, sah nur Catur Ramsey, wie Christabel vom Bett rutschte, wobei sie die nackten Füße strecken mußte, um auf den Boden zu kommen. So klein, dachte er. Sie sah verängstigt aus und sehr, sehr jung.
    Mein Gott, ging es Ramsey durch den Kopf. Was tun wir diesen Leuten an?
    Das kleine Mädchen ging still ins Schlafzimmer und machte die Tür hinter sich zu.
    Es ist zuviel für sie – zuviel. Es wäre für jeden zuviel.
    »Ich kann … ich kann meiner Frau nicht widersprechen«, sagte Major Sorensen gerade.
    »Was soll das heißen?« rief seine Frau. Weder sie noch ihr Mann hatten darauf geachtet, daß Christabel hinausgegangen war.
    »Beruhige dich, Liebling«, sagte Sorensen. »Ich geb dir ja recht. Ich bring’s auch nicht über mich.«
    »Dann gibt es nichts mehr zu sagen«, erklärte Sellars im Ton eines Sterbenden. Absurderweise lief auf dem Wandbildschirm, von dem seine Stimme kam, das Hausprogramm des Hotels, Aufnahmen von fröhlichen Gästen in diversen Restaurants und Freizeitparks von New Orleans. »Ich muß sehen, was ich noch machen kann.«
    Ramsey brauchte kein Bild, um zu wissen, daß Sellars aus der Leitung gegangen war. Die Sorensens starrten sich an, ohne auf ihn oder sonst etwas zu achten. Ramsey stand verlegen in der Tür; mit Sellars’ Abgang war er im Nu von einem Gesprächspartner zu einem Voyeur geworden.
    »Ich muß gehen«, teilte er mit. Keiner der Sorensens nahm Notiz von ihm.
    Hinter der Verbindungstür lehnte er sich an die Wand und fragte sich, was gerade geschehen war und was es tatsächlich zu bedeuten hatte. War Sellars wirklich auf die Hilfe eines

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