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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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kleinen Mädchens angewiesen, das gerade aus dem Kindergarten heraus war? Und wenn er keinen Erfolg hatte, was für Konsequenzen mochte das haben? Alles passierte so rasch, daß Ramsey kaum noch mitkam. Allein in den letzten zwei Stunden hatte er mehrere schwere Gesetzesübertretungen begangen – Räumung eines Bürogebäudes mit einer Rauchbombe, Manipulation der Alarmanlagen einer ganzen Insel, Anbringung einer Datenklemme in einem der größten Konzerne der Welt. Von den noch bizarreren Dingen, die dabei ans Licht gekommen waren, wollte er gar nicht reden: dem verödeten Haus im Wald auf der obersten Etage des Wolkenkratzers, dem gruftähnlichen Raum mit den vier Behältern, der unfaßbaren Eröffnung, daß Olgas verlorenes Kind das Betriebssystem des Otherlandnetzwerks war.
    Olga, dachte er. Verdammt, ich muß zu Olga zurück.
    Die Tür zum Zimmer der Sorensens knallte auf und hätte ihn um ein Haar getroffen. Michael Sorensens Gesicht war bleich, beinahe grau.
    »Christabel«, stieß er hervor. Seine heisere Stimme und sein bestürzter Ausdruck ließen Ramsey das Schlimmste befürchten.
    Kaylene Sorensen umschlang auf dem Bett ihre Tochter und rief immer wieder ihren Namen, als ob das Kind draußen auf der Straße wäre. Die herabhängenden Glieder des Mädchens und die nach oben gerutschten Augen, von denen man nur noch das Weiße sah, sagten alles oder jedenfalls genug. Eine Brille mit dicken schwarzen Sonnengläsern lag neben Christabels Beinen auf der Bettdecke.
    »Er hat das getan!« zischte Frau Sorensen Ramsey mit ungezügelter Wut an. »Dieses Monster! Erst tut er noch so, als ob er uns um Genehmigung fragt …«
    »Ich ruf einen Arzt«, sagte ihr Mann, dann wandte er sich mit einer derart verstörten Miene Ramsey zu, daß diesem regelrecht schlecht wurde. »Soll ich einen Arzt rufen?«
    »Warte. Mach … mach nichts, gar nichts. Warte!« Ramsey setzte an, in sein Zimmer zu laufen, als ihm klar wurde, daß er auch hier über den Wandbildschirm anrufen konnte, wo er nicht riskierte, die Verbindung zu Olga zu kappen. Er brüllte die Nummer und betete, daß er sie sich richtig gemerkt hatte. »Sellars! Geh dran, sofort!«
    »Ja? Ramsey, was ist?« Er klang noch schlimmer als vorher, falls das überhaupt möglich war.
    »Christabel liegt im Koma, Herrgott nochmal! Im Tandagorekoma!«
    »Was?« Sein Erstaunen hörte sich echt an. »Wie kann das sein?«
    »Frag mich nicht. Sie liegt auf ihrem Bett. Ihre Eltern haben sie gerade gefunden.« Er versuchte sich zu erinnern. »Neben ihr liegt so eine Sonnenbrille …«
    »O weh. Lieber Himmel.« Sellars schwieg einen Moment. »Ich hatte eine Eintrittssequenz vorcodiert, aber … aber nur für den Fall, daß die Eltern zugestimmt hätten …!« Trotz der Anspannung in seiner Stimme, der ungewohnten Unsicherheit, bekam er plötzlich einen scharfen Befehlston. »Sag ihnen, sie dürfen sie nicht bewegen. Sie muß in diesem Augenblick in das System eintreten. Ich muß sofort eingreifen.« Stille trat ein, doch bevor Ramsey die Verbindung abbrechen konnte, meldete sich Sellars noch einmal. »Und sag ihnen, daß es mir ehrlich leid tut. Ich wollte das nicht – nicht auf die Art. Ich werde alles tun, was menschenmöglich ist, um … um sie zurückzubringen.«
    Dann war er fort.
     
    Ramsey hatte die beiden schweigend auf dem Bett sitzen lassen, den reglosen Körper ihrer kleinen Tochter im Arm. Trotz seines unbestimmten Verantwortungsgefühls, oder vielleicht gerade deswegen, hatte er es eilig, aus dem Zimmer zu kommen.
    Er griff zum Pad, um mit Olga zu reden, und überlegte dabei, ob er ihr erzählen sollte, was sich bei ihm derzeit abspielte – aber wenn sie noch so war wie bei ihrem letzten Gespräch, würde sie nicht einmal zuhören. Ratlos und innerlich aufgewühlt starrte er mehrere Sekunden lang auf den Bildschirm, ehe er begriff, was er da sah.
    Olga Pirofsky saß immer noch neben den vier wuchtigen schwarzen Behältern auf dem Boden, das Gesicht in den Händen und sich hin- und herwiegend, ein Inbild übergroßen, alles verzehrenden Jammers. Sie hatte sichtlich keine Ahnung, was hinter ihr geschah.
    Die Deckel von zweien der Behälter klappten auf, langsam und anscheinend lautlos. Im ersten Moment verspürte Ramsey die gleiche grauenvolle, beinahe sexuelle Erregung, die ihn als Kind im dunklen Kino immer gepackt hatte. Ein UFO war gelandet, die Tür ging auf, jeden Moment mußte etwas herauskommen – aber was?
    Dies jedoch war kein Film. Dies ereignete sich

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