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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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in ihm ging es drunter und drüber. Er hatte sich schon seit Jahrzehnten nicht mehr so gefürchtet – wie hatte das alles geschehen können? Wie lange würde es dauern, um das ganze Schlamassel zu bereinigen? Er zwang sich, einen Blick auf die Sicherheitsinformationen zu werfen, doch sie waren ein hoffnungsloses Durcheinander. Die neuen Alarmmeldungen schienen eine drohende Verletzung des Luftraums zu betreffen. Wieso kümmern sich meine Helikopter und Senkrechtstarter nicht darum? Es waren wahrscheinlich bloß wieder Fehlanzeigen, aber dennoch, dafür bezahlte er diese unnütze, verpennte Bande schließlich …
    Nicht da. Natürlich, sie waren nicht da. Evakuiert.
    Er starrte die Kurve aus blinkenden Lichtpunkten an. Sie begann hoch oben in der Atmosphäre und endete … hier?
    Daneben leuchteten die Apepdaten auf. Vor Überraschung, vor Schreck über den Einbruch in seine Privatsphäre hatte er völlig vergessen, daß das Programm unsinnigerweise darauf beharrte, es sei bereits aktiviert worden. Falsch – die Angaben mußten falsch sein. Ihnen zufolge waren die Raketen schon vor Stunden abgefeuert worden und beförderten den Satelliten mit einer Geschwindigkeit von vielen tausend Meilen die Stunde aus seiner Umlaufbahn in den Weltraum hinaus, genau wie vorgesehen, aber die Flugbahn war so offensichtlich verkehrt …
    Die Flugbahn. Sie geht nach unten, nicht nach oben.
    Er schaltete auf seine Außenkameras, aber die auf den Himmel gerichtete konnte er nicht finden. Als er schließlich eine hatte, die sich hochschwenken ließ, schien es ewig zu dauern. Endlich hielt sie an und stellte sich scharf, und da sah er den Feuerball über den Himmel auf sich zurasen.
    Mit jähem Entsetzen verstand er alles, oder wenigstens genug. Aber Felix Jongleur hatte nicht zuletzt deswegen so lange überlebt, weil er sich niemals von der Panik regieren ließ, nicht einmal in einer solchen Situation. Auch wenn alles verloren schien, ein Ausweg stand noch offen. Binnen Sekunden konnte er den Gralsprozeß auslösen – seit der Ankündigung der Zeremonie seinerzeit war alles dafür bereit. Der physische Felix Jongleur mochte sterben, doch im Speicher des Netzwerks, dem riesigen Telemorphix-Reservoir auf der anderen Seite des Landes, konnte sein unsterbliches Ich selbst diesen katastrophalen Systemabsturz wohlbehalten überstehen. Eines Tages würde er im elektronischen Universum wieder frei sein, dem Tod ein für allemal entkommen und im Besitz eines Wissens, mit dem er sich seine ganze Macht zurückholen konnte.
    Jongleur begab sich unverzüglich in sein Haussystem zurück und öffnete eine Leitung zum Netzwerk. Lange, bange Sekunden des Wartens verstrichen, doch dann gewährten ihm die autonomen Sicherheitsroutinen des Andern seinen rechtmäßigen Zugriff. Er rief die Steuerung auf, mit der er den Gralsprozeß in Gang setzen und seinen schlafenden virtuellen Doppelgänger erwecken wollte, einen Felix Jongleur, der ewig leben würde, einerlei was seinem Fleisch widerfuhr, den Felix Jongleur, in den er schlüpfen würde, erfrischt und unsterblich, als ob der Tod nur ein Mittagsschläfchen wäre.
    Das graue Licht schwand. Die Dunkelheit kam.
    Er war perplex. Er hatte doch noch gar nichts getan. Der Gralsprozeß war immer noch in der Leitung, war nicht aktiviert worden. Wieso wurde der Raum um ihn herum schwarz?
    Die Dunkelheit nahm langsam Gestalt an – lang, niedrig, fest verschlossen. Sprachlos starrte Felix Jongleur darauf. Irgendwie war er, ohne es befohlen zu haben, in seine eigene ägyptische Simulation versetzt worden – denn das da war auf jeden Fall Seths Sarg. Aber wo war der restliche Tempel? Wieso war alles düster?
    Ein roter Strich erglühte an der Kante des Sarkophages. Jongleur wurde gegen seinen Willen davon angezogen. Er suchte verzweifelt nach den Ausschaltbefehlen, doch er war ohnmächtig wie in einem Albtraum. Der feurige Strich wurde breiter. Der Deckel ging auf. Es war jemand darin.
    Der Mann setzte sich auf. Sein schwarzer Anzug war vor der Finsternis im Innern des Sarges nahezu unsichtbar. Sein kalkweißes Gesicht leuchtete unter seinem schwarzen Zylinder wie eine Kerze, als er grinste und seine blassen, uralten Hände ausstreckte.
    Todesangst packte Felix Jongleur, würgte ihn, zerquetschte ihn. Die flammenden Augen durchbohrten ihn, verbrannten ihn innerlich zu Asche, und doch konnte er den Blick nicht abwenden. Er versuchte zu schreien, doch seine Kehle war wie zugeschnürt, und sein Puls raste so wild, daß

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