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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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kein Präparat ihn verlangsamen, kein Apparat ihn normalisieren konnte.
    »Endlich ist es soweit.« Mister Jingos zähnefletschendes Grinsen wurde immer breiter, bis es alles zu verschlucken schien. »Ich komme vom Himmel und hole dich.« Er riß seinen Mund weit auf, so daß man die Schwärze hinter den Zähnen sah. Der neue Stern mit dem Flammenschweif brannte in dieser Schwärze, immer größer und heller werdend stürzte er auf ihn zu wie der Scheinwerfer eines heranbrausenden Zuges.
    »Ich komme, Felix«, sagte Mister Jingo.
    Dieses Grinsen. Jongleurs Herz krampfte sich qualvoll zusammen. Dieses leere, feurige Grinsen …
    »Und jetzt habe ich dich.«
    Da brach zuletzt in der Dunkelheit und Stille, wo nur Elektronen kreisten, der Schrei aus dem alten Mann heraus. Er gellte in der Leere hinter aller Vergänglichkeit, hallte schwächer werdend, aber nicht ersterbend immer weiter durch jenen Raum, wo die Zeit nicht mehr regierte.
     
     
    > Der Stern sauste vom Himmel herab auf sie zu, ein Feuerstreif wie die Zeiger einer auf Mitternacht weisenden Uhr.
    Olga schaute sich nicht einmal um, als der dicke und der dünne Mann kreischend zum Fahrstuhl rannten. Der stürzende Satellit wurde jeden Augenblick größer; er füllte jetzt den Himmel, den man durch das geöffnete Dach sah, wie ein feuriges Auge aus. Sie konnte ihren Sohn innerlich fühlen, nahe wie den eigenen Herzschlag. Die Flammen umgaben ihn ganz, und obwohl er mit eigener Hand das Träumelein vom Baum geschüttelt hatte, ängstigte er sich über alle Maßen.
    Sie griff in ihre Tasche und holte einen Ring aus laminiertem Papier hervor.
    »Ich bin hier, Daniel.« Sie warf einen letzten Blick auf das Krankenhausarmband und schloß die Augen. »Ich bin hier bei dir.«
    Und dann konnte sie ihn spüren, wirklich spüren, als ob sie ihn in den Armen hielte und nicht bloß in Gedanken – so wie es eigentlich hätte sein sollen. Sie nahm ihn zu sich und tröstete ihn.
    Irgendwo hinter ihr, in einer anderen Welt, war der Fahrstuhl gekommen. Die Tür ging halb auf und stockte dann. Der dicke und der dünne Mann gingen brüllend aufeinander los, weil jeder vor dem anderen hineinwollte. Der Dicke drückte dem Dünnen die Kehle zu. Der Dünne biß dem anderen in die Hand und kratzte ihm blutige Furchen in den nackten Bauch.
    An einem Ort hinter ihren Augen, in einer zeitlosen Zeit hielt Olga ihren Sohn. Das Licht des fallenden Sterns, mit jedem Moment heller werdend, strahlte sie an. Von allen Wänden schrillten Alarmsirenen, unliebsame Stimmen zeterten in ihrem Ohr, und die beiden Männer vor dem Aufzug kämpften unter lauten Schmerzensschreien, sie aber hörte nur eines.
    »Schhh«, beruhigte sie ihn. »Nicht weinen. Mama ist bei dir.«
     
     
    > Ramsey schrie immer wieder ihren Namen, doch Olga Pirofsky reagierte nicht.
    Er konnte sie in dem Fenster sehen, das Sellars geöffnet hatte. Trotz der Umstände starrte sie mit einer geradezu unheimlichen Ruhe durch das Oberlicht in die Nacht hinaus, doch die zwei nackten Männer, die sie verfolgt hatten, lieferten sich jetzt vor dem Fahrstuhl einen mörderischen Kampf. Er begriff gar nichts mehr.
    Er rief Sellars an, doch auch der antwortete nicht.
    »Beezle, was zum Teufel ist da los? Sellars hat gesagt, wir hätten nur ein paar Minuten, um sie rauszuschaffen, aber sie will nicht kommen, antwortet mir nicht einmal mehr. Wahrscheinlich ist es inzwischen zu spät. Ist der Wachdienst schon unterwegs?«
    »Der Wachdienst nicht.« Selbst für ein Stück Gear hatte Beezle einen seltsamen Ton. »Aber was anderes.«
    Ein neues Sichtfenster ging auf Ramseys Bildschirm auf. Er glotzte fassungslos darauf, dann rutschte ihm das Pad vom Schoß. Er stolperte ans Fenster und hantierte hektisch an der Jalousie herum, dann riß er sie herunter und warf sie beiseite, um hinausschauen zu können.
    »Du lieber Himmel«, stöhnte er auf. »Sorensen! Alle runter auf den Fußboden!«
    Aus dem Nebenzimmer drangen laute Geräusche, Rumsen, Major Sorensens schreiende Stimme, aber er konnte sich nicht von dem Anblick am Himmel losreißen. Ein neuer Stern leuchtete in der Nacht über Louisiana, ein Stern, der heller brannte als alle anderen und der mit jeder Sekunde wuchs.
    Als der Flammenstreif über ihm vorbeisauste, schossen in der dunklen Ferne kleinere Lichtstrahlen von der Insel im Lake Borgne auf.
    Muß automatische Flugabwehr sein, ging es ihm durch den Kopf. Raketen. Sonst sind ja alle von der Insel runter. Fast alle.
    Oh, Scheiße, dachte

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