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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
fand, daß sie den Tränen nahe klang, aber Sellars schien es nicht gehört zu haben.
    »Wie dem auch sei, in den letzten Stunden verschlechterte sich die Situation ständig. Schon bevor der Endkampf begann, hatte der Andere größte Mühe, das Netzwerk am Laufen zu halten und gleichzeitig Betriebsmittel in diese Privatwelt umzuleiten. Es gab mehrfach Situationen, in denen es beinahe zum Zusammenbruch kam …«
    »Diese, na, Realitätshickser«, warf Sam ein.
    »Am Schluß jedoch kapitulierte der Andere vor der Verzweiflung. Er leitete seinen eigenen Tod in die Wege, wollte nur noch das Symbol seiner Qualen und seinen grausamen Herrn Felix Jongleur zerstören. Der Rest des Netzwerks wäre dabei vermutlich verschont geblieben, aber dieser geheime Ort nicht, das wußte ich. Da ihr … nun, sagen wir, in der Zurückleitungsschleife des Andern gefangen wart, den Fesseln seiner übermächtigen Hypnose, wärt ihr bei seinem Tod mitgestorben.«
    »Und die Kinder auch«, fügte Florimel hinzu. »Hat er nicht versucht, die Kinder hier versteckt zu halten und dadurch zu retten?«
    Sellars zögerte einen Moment mit der Antwort. »Ja, er hat versucht, auch die Kinder zu schützen«, sagte er schließlich. »So also sah es aus. Ich konnte das Netzwerk retten, nicht aber die Dinge, die der Andere aus sich selbst heraus geschaffen hatte.«
    »Momentchen«, sagte Orlando langsam. »Willst du damit sagen, daß wir gar nicht im Netzwerk sind? Daß wir uns schon die ganze Zeit … irgendwo anders befinden? Im Gehirn von irgendwem?«
    »Wo befinden sich die Erinnerungen eines Menschen?« fragte Sellars zurück. »In seinem Gehirn, aber wo? Dieses Environment besteht im Gesamtzusammenhang des Netzwerks genau wie ein menschlicher Gedanke im Gehirn, aber es kann gut sein, daß wir in beiden Fällen niemals einen eindeutigen Ort werden angeben können.« Er hob die Hand. »Bitte, laßt mich ausreden. Der Andere hatte kapituliert, aber ich hatte noch einen letzten Plan. Wenn er mich ließ, wollte ich versuchen, in letzter Minute etwas in der Art der virtuellen Matrix zu erzeugen, die der Andere für Paul Jonas geschaffen hatte. Der Gralsprozeß ist eine aufwendige, zeitraubende Angelegenheit, aber ich hoffte, wenigstens die Grundlagen generieren zu können, so wie ja auch der Gralsprozeß mit den einfachsten Funktionen des Gehirns anfängt und davon ausgehend Schicht für Schicht Gedächtnis und Persönlichkeit hinzufügt. Ich brauchte den Andern dazu nicht, nur seine elementarsten Funktionen. Aber ohne seine Mitwirkung konnte ich nichts machen.
    In seinen allerletzten Momenten fand er sich zu dieser Mitwirkung bereit – was wir einer andern tapferen Frau zu verdanken haben, die euch allen unbekannt ist. Aber es war mehr als knapp, und es gab keine Garantie dafür, daß wir genug kopiert bekommen würden, um diese Matrix, dieses innere Otherland, am Leben zu erhalten.« Sellars schüttelte bei der Erinnerung daran den Kopf. »Da hast du nun die erste Hälfte deiner Antwort, Orlando, wie versprochen. Es hat in der Tat geklappt. Wir befinden uns in einer Art Gralsversion des ursprünglichen Betriebssystems, des Andern.«
    »Er lebt?« Für Sam geriet auf einmal die ganze Welt wieder ins Wanken.
    »Nein. Dafür war die Zeit zu kurz. Das äußere Netzwerk läuft weiter, und auch dieser Ort hier hat es überstanden und besteht jetzt als so etwas wie ein geretteter Speicher fort. Er funktioniert einigermaßen. Die entstandenen Schäden dürften reparabel sein.«
    »Reparabel?« Nandi blieb abrupt stehen. »Dieses Netzwerk ist ein Greuel, eine Sünde wider die Natur, erbaut auf den Leibern unschuldiger Kinder. Wir vom Kreis sind hierhergekommen, um es zu zerstören, nicht zu reparieren.«
    Sellars sah ihn mit einer undurchdringlichen Miene an, von der Sam nicht glaubte, daß die Verunstaltungen im Gesicht des Mannes daran schuld waren. »Dein Einwand ist berechtigt, Herr Paradivasch. Das ist eine der Sachen, über die wir diskutieren müssen. Aber wenn ich mit meiner Rettungsaktion keinen Erfolg gehabt hätte, könnte es keine Diskussion mehr geben. Das System wäre dahin, und ihr müßtet eure Gespräche im Himmel führen.«
    Nandi starrte ihn ärgerlich an. »Du hast kein Recht, eine solche Entscheidung zu treffen, Sellars. Dieses Ding darf nicht bestehen bleiben, nur weil es dir gerade paßt. Dutzende von Mitgliedern des Kreises haben ihr Leben gelassen, um das zu verhindern.«
    »Märtyrer«, ergänzte Bonnie Mae leise. »Wie mein Mann

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