Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
ihrer Evolution ein Stadium erreicht, in dem sie endlich selbständig lebenstauglich sind – jedenfalls glaubte oder fühlte er das. Ihr Überleben lag ihm so sehr am Herzen, daß er, glaube ich, unter schrecklichen Qualen und Ängsten viel länger durchhielt, als er eigentlich wollte.
    Doch als Gegenleistung dafür, daß er diesen Ort hier und damit unser aller Leben erhielt, mußte ich dem Andern versprechen, alles zu tun, was in meinen Kräften steht, damit seine Informationskinder seinen Tod überleben.« Nandi setzte an, etwas zu sagen, doch Sellars hob die Hand. »Ich habe nicht versprochen, sie darüber hinaus zu beschützen.«
    »Haarspalterei«, schnaubte Nandi.
    Sellars atmete tief durch. »Hört mich bitte an. Es ist wichtig. Der Andere wollte seinen Kindern die vollkommene Freiheit schenken. Im Augenblick sind sie auf diesen inneren Ort im System beschränkt, liegen hier wie Eier im Nest, aber sobald sie einmal in das Netzwerk hinausgeschlüpft sind, wird es, glaube ich, keine Beschränkung mehr geben können. Sie werden zwangsläufig auch in das allgemeine Netz hinausgelangen. Sie werden darin leben wie Fische im Meer. Werden sie sich uns gegenüber feindlich verhalten? Ich bezweifle es. Gleichgültig? Durchaus möglich, ja wahrscheinlich. Da ihre Bedürfnisse nichtkörperlicher Art sind, würden sie wohl in einer Art Symbiose mit uns leben – nein, weniger mit uns als mit unserer Technik, denn die wäre das Medium, in dem sie leben würden.« Sellars räusperte sich. Er wirkte verlegen, geradezu schuldbewußt.
    Er sieht aus, als ob sein Hund in unsern Garten gekackt hätte, dachte Renie. Dabei sagt er im Grunde genommen sowas wie: »Hoppla, tut mir leid, aber ich glaub, ich hab grade die Ausrottung der Menschheit verursacht.«
    »Aber ich muß ehrlich sein und auf alle Eventualitäten hinweisen«, fuhr Sellars fort, als ob er ihre unausgesprochenen Befürchtungen gehört hätte. »Gleichgültigkeit oder selbst Symbiose ist noch keine Garantie für ein friedliches Nebeneinander. Es könnte sein, daß sie uns weit überflügeln. Unabhängig davon, ob sie uns freundlich gesonnen sind oder nicht, könnte der Tag kommen, an dem kein Platz mehr für uns beide ist. Das war und ist das Schicksal vieler Tierarten auf diesem Planeten, die gemeinsam mit uns dieselbe Umwelt bewohnen.«
    »Hä?« meldete sich T4b. »Spinn ich oder was? Die Weihnachtskerzen da sollen lebendig sein? Wollen die Macht übernehmen? Exen, die Dinger, klarer Fall. Sofort exen.«
    »Das ist wohl die andere Alternative«, räumte Sellars ein. »Wir haben nur Minuten, um zu einer Entscheidung zu kommen. Ihr. Wie gesagt, ich habe diese Situation durch meinen Leichtsinn und Egoismus herbeigeführt. Ich habe nicht das Recht, über ihr Schicksal mit abzustimmen.«
    »Abstimmen?« rief Nandi. »Was soll es da abzustimmen geben? Du gibst zu, daß diese Dinger eine Bedrohung des gesamten menschlichen Lebens darstellen. Sie sind ein Bilderbuchbeispiel für die Folgen menschlicher Vermessenheit, für das, was geschieht, wenn Menschen versuchen, sich die Allmacht Gottes anzumaßen. Schau dir die Gralsbruderschaft an! Diese Leute haben das gleiche getan, und ihr Lohn dafür war der Tod. Dennoch willst du, daß wir über diese Angelegenheit abstimmen, als ob sie irgendein … Dorfdisput wäre.«
    »Wenn man die Demokratie mal aus der Nähe betrachtet, kann man das Grausen kriegen«, bemerkte Florimel giftig. »Wer hat das nochmal gesagt? Ach ja, Jongleur. Bevor er in die Luft gesprengt wurde.«
    »Hier geht es nicht um den Wert oder Unwert der Demokratie«, protestierte Nandi. »Es geht darum, ob man das Schicksal der Erde wie in einem Schulbuch für Staatsbürgerkunde verhandeln sollte.«
    »Nein, das Schicksal der Menschheit«, sagte Martine leise. »Das ist nicht dasselbe.« Renie bezweifelte, daß sonst jemand sie gehört hatte.
    »Ich begreife wohl, daß das keine Kleinigkeit ist«, begann Sellars. »Aus dem Grund …«
    »Ich fühle sie!« Nemesis fing an, neben einer Lichterwand hin- und herzugehen. Renie fand, daß es wie die Karikatur eines werdenden Vaters vor der Kreißsaaltür aussah, eines höchst eigentümlichen werdenden Vaters. Warum zum Teufel ist das Ding so aufgeregt? fragte sie sich und fühlte gleichzeitig, wie sie eine Gänsehaut bekam. Die Lichter sahen in der Tat verändert aus, so als ob der Strom schwächer und ihr Leuchten dadurch weniger stetig geworden wäre. Was hat es für ein Interesse an dieser ganzen Sache?
    Bevor sie

Weitere Kostenlose Bücher