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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zwischen Menschen und Nichtmenschen verschwimmen überhaupt, kein Zweifel. Wie T4b fragte sie sich, ob sie anfing zu spinnen. Heiliger Bimbam, müssen wir jetzt jedem Buchhaltungsgear und jedem Büroprogramm Bürgerrechte einräumen?
    »Wir können nicht mit ihnen reden.« Sellars klang traurig, aber auch gereizt. »Sie sind Informationsleben. Der Gedanke ist unsinnig – selbst wenn sie in der Lage wären, Worte zu sprechen, die wir hören können, wären sie doch für uns so unbegreifbar wie wir für sie. Der Unterschied von ihnen zu uns ist größer als der von uns zu Pflanzen.«
    »Nein.« Nemesis hob mit einer unbestimmbaren Geste die Hand hoch und deutete auf das hilflose blaue Etwas, das es auf dem anderen Arm hielt. »Wir hörten diese Prozesse von … von fern. Wir spalteten uns.«
    »Wer ist ›wir‹?« fragte Sellars.
    Kunohara grinste breit. »Das ist ja höchst faszinierend!«
    »Ich … ich bin Nemesis – aber ich bin nicht das ganze Nemesis. Ich wurde als ein Ortungsprogramm geschaffen, aber ich konnte meine ursprüngliche Funktion nicht erfüllen. Das Netzwerk war zu groß und vielfältig, und die Anomalie an diesem Ort hier, in diesem geschützten Teil des Betriebssystems, war zu stark. Ich war … wir waren … sehr verwirrt. Deshalb spaltete ich … spalteten wir uns in drei untergeordnete Glieder, damit wir die unerwartete Komplexität des Netzwerks bewältigen konnten und dennoch eine Chance hatten, unsere eigentliche Aufgabe zu vollenden.«
    Das Ding sprach jetzt ganz natürlich, fand Renie. Sie hatte schon Mathematikdozenten gehabt, die sich weniger menschlich angehört hatten.
    »Ich bin nur ein Teil des Originals«, sagte es. »Ich bin Nemesis Zwei.« Es hob das Blaue Baby hoch, das ein Wimmern von sich gab. »Hier ist eine… Darstellung von Nemesis Eins, das durch ein logisches Problem … funktionsunfähig wurde. Ich konnte mich gegen das Problem schützen und konnte meine Ermittlungen fortsetzen, ohne in meiner Funktion Schaden zu nehmen. Ich fand Nemesis Eins hier, defekt im Code des Betriebssystems.
    Doch es gibt noch einen anderen Teil von mir … von uns …« Der leere Klement-Blick wanderte von einem Gesicht zum anderen, doch der Augenkontakt machte nur noch deutlicher, wie unmenschlich es nach wie vor war. »Nemesis Drei drang in die Anomalie ein und fand diese Prozesse«, erläuterte es, »das Heranwachsen dieser Nächsten. Es ist seit vielen Zyklen bei ihnen. Jetzt werden wir alle zusammensein. Wir werden sprechen. Wir werden zusammen sprechen.«
    »Was bedeutet das für uns?« Sellars hörte sich besorgt, ja ängstlich an, und Renies Puls schlug schneller – wieviel Zeit hatten sie noch? »Ja, ihr könnt zu uns sprechen«, sagte Sellars, »aber ihr seid auch von Menschen geschaffener Code. Diese … Geschöpfe … haben nichts, was sie auch nur im entferntesten mit Menschen verbindet.«
    Nemesis nickte steif. »Ja, wir werden zusammen sprechen.«
    »Zusammen …?« fragte Sellars perplex, doch in dem Moment begannen die Lichter in den Wänden zu flackern. Renie mußte sich die Hand vor die Augen halten, sonst wäre ihr von dem unheimlichen strobischen Effekt schwindlig geworden.
    Etwas bildete sich neben einer der Wände, eine vertikale Lichtkonzentration. Es war nicht das Weiß des leeren virtuellen Raumes, mit dem Sellars sich und den kleinen Cho-Cho getarnt hatte, sondern eine in Wellen pulsierende Überlagerung von Lichtstärken und -tönen, eine Verdichtung von Licht geradezu, die rasch eine gesichtslose, menschenähnliche Gestalt annahm.
    Alle starrten die Erscheinung mit bangem Schweigen an.
    »Ist das eins von den Dingern, die wir exen müssen?« hauchte T4b schließlich. Für Renies Ohren klang er nicht so, als ob er es versuchen wollte. Eigentlich klang er so, als ob er am liebsten woanders wäre. Der Wunsch hatte ihre volle Sympathie.
    »Nein«, sagte Nemesis. »Das ist unser … Wesen. Der letzte Teil. Nemesis Drei. Es ist jetzt seit vielen Zyklen mit der Anomalie und ihren Prozessen zusammen, so wie ich seit vielen Zyklen mit euch menschlichen Strukturen zusammen bin. Wir werden unser Wissen vereinen. Wir werden zusammen sprechen.« Nemesis Zwei hob das Blaue Baby hoch. Renie fiel die Kinnlade herunter, als ihm das häßliche kleine Ding plötzlich aus der Hand strömte wie eine horizontal ausgegossene Flüssigkeit und von der Lichtgestalt absorbiert wurde, die daraufhin einen zusätzlichen bläulichen Schimmer bekam. Während sie alle noch wie benommen darauf

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