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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ignorierte diese zweifelhafte Unterstützung. »Ich werde dich bekämpfen, Sellars. Du hast kein Recht …«
    Er brach ab, als Bonnie Mae Simpkins ihm die Hand auf den Arm legte. »Können wir so sicher sein?« fragte sie.
    »Sicher? In welcher Beziehung?«
    »Daß wir Gottes Willen so genau kennen.« Sie blickte die anderen an, dann die leuchtende Gestalt. »Wenn mir dieses Wesen daheim auf der Erde begegnet wäre, hätte ich geschworen, einen Engel gesehen zu haben …«
    »Das ist kein Engel!« erklärte Nandi entrüstet.
    »Ich weiß. Aber ich will damit nur andeuten, wie weit das meine Vorstellungskraft übersteigt. Unser aller Vorstellungskraft. Wie können kleine Menschen wie wir wissen, was Gott vorhat?« Sie breitete die Arme aus, als wollte sie das pulsierende Licht einfangen. »Vielleicht sind wir nicht hier, um das aufzuhalten, sondern um Gottes Werk zu sehen und zu staunen.«
    »Das kannst du nicht im Ernst glauben.« Nandi zog seinen Arm weg.
    »Doch, das kann ich … und ich kann auch glauben, was du sagst, Nandi. Und genau das ist das Problem. Es ist einfach ein paar Nummern zu groß.« Sie sah sich mit ernstem Gesicht in der Runde um. »Dies alles … wie sollen wir darüber urteilen? Wir sind hierhergekommen, um die Kinder zu retten. Aber sind das nicht auch Kinder? Vielleicht … vielleicht will Gott, daß diese Geschöpfe … diese Kinder … unsere Kinder sind. Unser aller Kinder. Kennen wir seinen Willen so gut? Haben wir das Recht, sie zu töten?« Ein leises Schluchzen entrang sich ihr. »Im Grunde hat mein Terence sein Leben gegeben, um sie zu retten, auch wenn er es nicht wußte. Und ich denke … ich denke, er wäre stolz darauf.«
    Zu Renies Erstaunen fing Missus Simpkins an zu weinen. Die Lichter verschwammen. Im ersten Moment meinte sie, die Geburt vollziehe sich bereits, doch dann merkte sie, daß die Tränen der Frau auch bei ihr die Schleusen geöffnet hatten.
    »Ich bin dafür, daß wir sie gehenlassen.« Bonnie Mae Simpkins bekam nur mühsam die Worte heraus. »Lassen wir sie gehen … und Gott sei mit ihnen.«
    Sie können nicht länger warten, sagte die Nemesisstimme, und es lag fast etwas wie Anspannung in den unmenschlichen Tönen. Werdet ihr sie freilassen?
    »Kriegst du das überhaupt hin?« fragte Orlando Sellars. Seine Stimme hatte einen sehnsüchtigen Unterton, den Renie sich nicht recht erklären konnte.
    »Ja.« Sellars’ Augen waren glasig, entrückt; er arbeitete bereits daran. »Jongleurs Laserarsenal wurde zerstört, aber das von Telemorphix funktioniert noch – und jetzt, wo das neue Betriebssystem installiert ist, hat der Uplink keine andere Funktion. Er ist einfach dorthin gerichtet, wo der Satellit des Andern war.«
    »Müssen wir wirklich noch abstimmen?« fragte Kunohara. Er sah sich mit leuchtenden Augen um. »Wer würde diese wunderbaren Wesen zerstören?«
    Eine ganze Weile sagte niemand ein Wort. Nandi Paradivasch blickte Bonnie Mae mit tiefbetrübter, ungläubiger Miene an. Er wandte sich T4b zu. »Wirst du mich jetzt auch im Stich lassen?«
    Javier Rogers hielt seinem Blick nicht stand. »Aber … aber vielleicht hat sie recht«, stammelte er leise. »Vielleicht sind das echt unsere Kinder, äi.« Er schaute sich nach den leuchtenden Zellen um, und sein dünnes Gesicht wurde von Licht überflutet. »Der Jugendpfarrer hat immer gesagt: ›Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes.‹ Klingt nicht grad nach sie umbringen, irgendwie.«
    Nandi stieß einen Laut der Resignation aus und kehrte ihnen den Rücken zu.
    »Mach’s!« drängte Orlando. »Sie haben genauso ein Recht zu existieren wie ich – vielleicht mehr.«
    Sellars senkte den Kopf und schloß die Augen.
    Das Nemesiswesen regte sich wieder. Es ist Zeit, sagte es. Wir werden mit ihnen gehen. Wir haben … uns verändert. Und damit verschwand der leuchtende dreieinige Körper.
    »Sag ihnen, wir senden allen unsern Segen!« rief Bonnie Mae Simpkins.
    Das Licht flammte auf, wurde tiefer, stärker. Die einzelnen Zellen in den Wänden verbanden sich jählings zu einer diffus glänzenden, aber von funkelnden Lichtpunkten durchsetzten Wolke. Renie hatte das Gefühl, Farben wahrzunehmen, die sie noch nie im Leben gesehen hatte.
    »Die ersten Menschen«, flüsterte !Xabbu neben ihr, und sein Ton war stockend, tranceartig. »Da gehen sie hin.«
    Die Lichtwolke verdichtete sich, wurde zu einem wirbelnden, brodelnden Schillern. Einen Moment lang meinte

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