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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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irgendwie auch passend, gerade das mit dem Kind, das sie bekommen sollte. Ich nehme an, es war ein unterbewußter Ausdruck von Jongleurs grenzenloser Egomanie.« Sie seufzte. »Das war alles so gespenstisch und widerlich wie die Geschichte der griechischen Atriden. Aber jetzt sind sie tot. Alle sind sie … tot.«
    »Ach, Martine, du machst so einen traurigen Eindruck.«
    Der Standardsim zog die Schultern hoch. »Es lohnt sich nicht, groß Worte darüber zu machen.«
    »Und die Sache mit Paul scheint dich ziemlich wütend zu machen.«
    Sie antwortete nicht sofort. Auf der anderen Seite des Tisches lachte Bonnie Mae Simpkins über eine Bemerkung von !Xabbu , obwohl der kleine Mann völlig ernst blickte.
    »Paul Jonas war sehr unglücklich … am Schluß«, sagte Martine schließlich. »Es war niederschmetternd für ihn, erkennen zu müssen, daß er eine Kopie war, wie er es ausdrückte – daß er die Sachen, die er sich am allermeisten wünschte, niemals bekommen konnte, daß er für alle Zeit von dem Leben abgeschnitten war, an das er sich erinnerte. Ja, ich bin wütend. Er war so ein guter Mensch. Er hatte das nicht verdient. Sellars hatte nicht das Recht dazu.«
    Renie hatte den Eindruck, daß es Martine ungefähr genauso ging wie Paul. »Sellars hat sich bemüht, das Beste zu tun. Wir alle.«
    »Ja, ich weiß.« Die Bitterkeit war verflogen, und nur noch Niedergeschlagenheit blieb zurück. Da war Renie die Wut fast lieber gewesen. »Aber ich komme einfach nicht darüber hinweg. Über seine Einsamkeit. Dieses Gefühl, aus dem eigenen Leben verbannt zu sein …«
    Renie überlegte angestrengt, was sie ihr Aufmunterndes sagen konnte, als ihr auffiel, daß sich in Martines Schweigen etwas geändert hatte. Selbst ohne hilfreiches Mienenspiel nahm Renie eine gewisse Spannung wahr, eine Straffheit im Sim der Frau, die vorher nicht dagewesen war.
    »Ich bin eine dumme Kuh«, sagte Martine unvermittelt. »Eine selbstsüchtige dumme Kuh.«
    »Was …?«
    »Entschuldige, Renie. Ich habe jetzt keine Zeit mehr. Wir reden später, das verspreche ich.« Und damit verschwand sie.
    Beunruhigt ging Renie zurück um den Tisch.
    »Javier kritisiert mein Aussehen«, verkündete Florimel.
    »Nicht die Bohne!« widersprach T4b. Die Lichtmuster in seinen Backen verblaßten ein wenig, wenn er rot wurde. »Hab bloß gesagt, die Klappe macht sich chizz. Noch’n paar Kleinigkeiten, und sie könnt mega fetzig aussehen.«
    »Zum Beispiel?« Florimel bedachte ihn mit einem strengen Blick. »Soll ich meinen Sim mit ein paar gigantischen Brüsten ausstatten?«
    Javier schüttelte energisch den Kopf. »Hab ich nix von gesagt, war überhaupt nicht respektlos gemeint, äi! Dachte bloß, du könntst dir so Subs zulegen. Deine Initialien oder so … irgendwie …« Er verstummte, und seine eigenen Leuchtröhren waren nur mehr vage zu erkennen. »Ach so. Mollyduppen tuste mich, hm?«
    »Wenn das necken heißt, Javier, dann ja.« Florimel wechselte einen amüsierten Blick mit Renie. »Aber warum hast du dich eigentlich so zurechtgemacht? Ich nehme an, daß du heute tatsächlich so aussiehst. So fein aufgeputzt, bloß für alte Freunde wie uns?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Geh mich vorstellen.«
    »Bei einer Firma?« erkundigte sich Renie.
    »Kannste nullen. Ich will wieder zur Schule. AGAPA.«
    »Arizona General and Pastoral Academy«, erläuterte Missus Simpkins.
    »Bong. War Bonnie Maes Idee, irgendwie.« Er machte plötzlich den Eindruck, als würde er sich am liebsten aus der Runde verdrücken. »Na ja, meine auch.«
    »Sag ihnen, was du tun möchtest, Javier«, forderte Missus Simpkins ihn auf.
    Er zog ein finsteres Gesicht. »Nach … nach allem, was war, hab ich gedacht, ich könnt vielleicht … Pfarrer werden, irgendwie. Jugendpfarrer, tick? Mit Mikros arbeiten.« Er zog die Schultern hoch, wie um sich gegen Schläge zu wappnen. Er sah Florimel aus dem Augenwinkel an.
    Renie und !Xabbu beglückwünschten ihn, aber er wartete sichtlich noch auf etwas.
    »Weißt du was?« sagte Florimel schließlich. »Ich halte das für eine großartige Idee, Javier. Ganz im Ernst.« Lächelnd beugte sie sich vor und gab ihm einen Kuß auf seine schwach schimmernde Backe. »Ich hoffe, dein Traum wird Wirklichkeit.«
    Während seine Leuchtröhren völlig zu verblassen drohten, ging in seinem Gesicht ein anderes Licht auf. »Hab das ganze seyi-lo Zeug gepackt, dann kann ich jetzt alles packen, äi«, versicherte er.
    »Amen«, sagte Bonnie Mae.

Kapitel
Ein

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