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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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gewesen war.
    Sie streckte begierig die Hand aus, aber die flatternden Wesen schossen davon, fürchteten sich vor ihr. Sie griff abermals nach ihnen, und die Wesen zogen sich noch weiter zurück. Ihr Kummer wurde so groß und schmerzhaft, daß sie sicher meinte, jeden Augenblick den Zusammenhalt zu verlieren, ihre Identität, und in die Dunkelheit zu zerstieben, zerfließen, zergehen. Frierend und elend lag sie da.
    Die Wesen kehrten zurück.
    Diesmal war sie vorsichtig, so vorsichtig, wie sie konnte, bewegte die Hand ganz langsam, sachte, fühlte die Wesen in ihrer enormen Verletzlichkeit. Nach einer Weile kamen sie zu ihr, sie mußte sie nicht mehr anlocken. Sie behandelte sie mit nahezu unendlicher Behutsamkeit, umfing jedes einzelne so schonend wie nur irgend möglich – ein Jahrhundert zwischen zwei Gedanken, ein Jahrtausend zwischen zwei schier übermenschlich verhaltenen Bewegungen. Und dennoch waren manche zu empfindlich und gaben mit leisen Schreien den Geist auf, zerplatzten ihr unter den Händen wie Seifenblasen und lösten sich auf. Es zerriß ihr fast das Herz.
    Die anderen huschten erschreckt davon, und sie hatte Angst, sie würden sie endgültig verlassen. Sie rief ihnen nach. Einige kamen zurück. Ach, und wie zart sie waren! Wie schön!
    Sie weinte, und das Universum krampfte sich langsam zusammen.
     
    Der Traum war so tief und stark und sonderbar gewesen, daß es lange dauerte, bis sie merkte, daß sie wieder bei Bewußtsein war. Innerlich irrte sie immer noch einsam durch die Finsternis, und auch als sie sich wieder an ihren Namen erinnerte, öffnete Renie lange nicht die Augen. Schließlich kehrte mit einem Prickeln das Gefühl wieder, in der Haut und in den Muskeln, und sie schlug die Lider auf. Sie blickte fassungslos um sich und schrie auf.
    Grau, treibendes Silbergrau. Schwaches Gefunkel, verlaufene Spektralflecken, feiner Leuchtstaub … aber sonst nichts. Die schimmernde Wolkenmasse, die den Berg umlagert hatte, schien sie jetzt dicht einzuhüllen, ein Ozean aus silberner Leere, nur unter sich spürte sie eine harte, horizontale Fläche. Sie war nicht körperlos, diesmal war es kein Traum. Ihre Hände befühlten ihr Fleisch und den Boden zu beiden Seiten, einen Boden, den sie nicht einmal sehen konnte. Sie lag in einem dichten, leuchtenden Nebel, alles andere war fort – und alle anderen auch.
    » !Xabbu ? Sam?« Sie krabbelte ein Stück über die harte, aber eigentümlich glatte unsichtbare Fläche, doch da fiel ihr der Abgrund wieder ein, und sie hielt an. Sie mußte sich zusammenreißen, um nicht völlig durchzudrehen. » !Xabbu ! Wo bist du?«
    Das Echo war eines der wenigen wirklichkeitsgetreuen Dinge gewesen, die der schwindende schwarze Berg sich bewahrt hatte, aber jetzt gab es auch kein Echo mehr.
    Renie kroch wieder vor und tastete mit nervös zuckenden Fingern herum, doch auch nach zehn Metern oder mehr war sie weder an den Stein der Bergwand noch an den Rand des Pfades gekommen. Es war, als ob der Berg einfach weggeschmolzen wäre und sie unerklärlicherweise im glitzernden Nebel auf einer Tischplatte zurückgelassen hätte.
    Sie krabbelte noch einmal ein Stück. Der Boden, den sie nicht sehen konnte, war wie von einer Glasschicht überzogen, aber real genug, um ihr an den Knien Druckstellen zu machen. Immer wieder rief sie die Namen ihrer Freunde in die Totenstille. Zuletzt stellte sie sich verzweifelt hin.
    » !Xabbu !« schrie sie, bis ihre Kehle heiser war. » !Xabbu ! Kannst du mich hören?«
    Nichts.
    Sie ging vorsichtig ein paar Schritte, wobei sie vorher jedesmal den Untergrund prüfte, ehe sie den Fuß voll aufsetzte. Der Boden war absolut flach. Etwas anderes gab es nicht – keinen Abgrund, keine senkrechte Steilwand, kein Geräusch, kein Licht außer dem Perlmuttglanz der Wolken allüberall. Und selbst dieser Dunstschleier war substanzlos: Er schimmerte feucht, aber er war nicht feucht. Es gab nichts. Nur Renie und sonst nichts. Alles war fort.
    Sie setzte sich hin und hielt sich den Kopf. Ich bin tot, dachte sie, aber außerhalb des Traums war die Vorstellung des Todes nicht mehr verlockend. Und das hier ist das ganze Jenseits. Alle haben gelogen. Sie lachte, doch es hörte sich an, als ob etwas in ihr defekt wäre. Selbst die Atheisten haben gelogen. »Oh, verdammt!« entfuhr es ihr.
    Da sah sie undeutlich einen Schatten auftauchen – irgend etwas bewegte sich im Nebel.
    » !Xabbu ?« Kaum hatte sie den Namen ausgesprochen, wurde ihr bewußt, daß sie das besser

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