Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
gemacht«, sagte sie.
»Sie auch. Aber es ist nicht richtig, dass Sie das selbst tun müssen.«
»Ich weiß.«
Sie verstauten die Sachen wieder in die Tragetaschen und stellten sie in den Schrank. Reacher fragte: »Wie oft kommen Sie her?«
»Nicht sehr oft«, sagte Vaughan. »Eigentlich ist das eine Zen-Sache. Habe ich ihn wirklich besucht, wenn ich ihn besuche und er nicht weiß, dass ich ihn besucht habe? Irgendwie ist es Selbstbefriedigung, wenn ich herkomme, nur um das Gefühl zu haben, eine gute Ehefrau zu sein. Deshalb besuche ich ihn lieber in meiner Erinnerung. Da ist er viel realer.«
»Wie lange waren Sie verheiratet?«
»Wir sind weiter verheiratet.«
»Entschuldigung. Wie lange?«
»Zwölf Jahre. Acht gemeinsam, dann war er zwei im Irak, und seit zwei Jahren liegt er hier.«
»Wie alt ist er?«
»Vierunddreißig. Er könnte weitere fünfzig Jahre leben. Ich auch.«
»Sind Sie glücklich gewesen?«
»Ja und nein – wie die meisten.«
»Was haben Sie vor?«
»Jetzt?«
»Langfristig.«
»Das weiß ich nicht. Manche Leute raten mir, nach vorn zu blicken. Und vielleicht sollte ich das tun. Vielleicht sollte ich mein Schicksal wie Zenon akzeptieren. Als wahre Stoikerin. Manchmal hätte ich sogar Lust dazu. Aber dann gerate ich in Panik und verhalte mich defensiv. Ich denke: Erst tun sie ihm das an, und nun soll ich mich von ihm scheiden lassen? Andererseits würde er es ohnehin nicht wissen. Das ist dann wieder diese Zen-Sache. Wozu würden Sie mir raten?«
»Ich rate Ihnen, einen Spaziergang zu machen«, sagte Reacher. »Gleich jetzt. Allein. Ein Spaziergang allein tut immer gut. Genießen Sie die frische Luft. Freuen Sie sich an den Bäumen. Ich komme mit Ihrem Auto nach und lese Sie auf, bevor Sie die Fernstraße erreichen.«
»Was tun Sie inzwischen?«
»Ich finde schon irgendeinen Zeitvertreib.«
51
Vaughan verabschiedete sich von ihrem Mann und ging dann mit Reacher durch schmutzige Korridore und den grässlichen Aufenthaltsraum in den Empfangsbereich zurück. Der Kerl in dem grauen Sweatshirt sagte: »Auf Wiedersehen, Mrs. Vaughan.« Sie traten ins Freie und gingen zu dem neben den anderen Autos geparkten Crown Vic. Reacher blieb an den Wagen gelehnt stehen, während Vaughan weiterlief. Er wartete, bis sie nur noch ein Punkt in der Ferne war, dann ging er zum Haupteingang zurück. Die Stufen hinauf, durch die Tür. Er trat an den Kasten und fragte: »Wer ist hier verantwortlich?«
Der Kerl in dem grauen Sweatshirt antwortete: »Ich, denke ich. Ich bin der Schichtleiter.«
Reacher fragte: »Wie viele Patienten haben Sie hier?«
»Siebzehn«, sagte der Kerl.
»Wer sind sie?«
»Bloß Patienten, Mann. Wen sie uns gerade schicken.«
»Sie führen diese Einrichtung nach Dienstvorschrift?«
»Klar. Alles bürokratisch geregelt wie überall.«
»Haben Sie ein Exemplar der Dienstvorschrift zur Hand?«
»Irgendwo.«
»Können Sie mir zeigen, wo drinsteht, dass es in Ordnung ist, die Zimmer verdrecken zu lassen und Mäusescheiße auf den Korridoren zu haben?«
Der Kerl blinzelte, schluckte trocken und sagte: »Saubermachen hat keinen Zweck, Mann. Sie würden’s nicht wissen . Wie denn auch? Hier ist das Gemüsebeet.«
»Nennen Sie es so?«
»Das ist es, Mann.«
»Falsch«, sagte Reacher. »Dies ist kein Gemüsebeet. Dies ist eine Veteranenklinik. Und Sie sind ein Stück Scheiße.«
»He, nicht so verbissen, Mann. Was kümmert Sie das?«
»David Robert Vaughan ist mein Bruder.«
»Wirklich?«
»Alle Veteranen sind meine Brüder.«
»Er ist hirntot, Mann.«
»Sie auch?«
»Nein.«
»Dann hören Sie jetzt zu. Und passen Sie sehr gut auf. Jemand, der unglücklicher ist als Sie, verdient das Beste, das Sie geben können. Wegen Pflicht und Ehre und Dienst. Verstehen Sie diese Worte? Sie sollten Ihre Arbeit richtig machen, und Sie sollten gute Arbeit leisten, einfach weil Sie können – ohne auf Lohn oder Anerkennung zu schielen. Die Männer hier verdienen Ihr Bestes, und ich weiß verdammt sicher, dass ihre Verwandten es verdienen.«
»Wer sind Sie überhaupt?«
»Ich bin ein besorgter Bürger, dem mehrere Möglichkeiten offenstehen«, antwortete Reacher. »Ich könnte Ihren Arbeitgeber in Verlegenheit bringen, ich könnte Zeitungen oder das Fernsehen anrufen, ich könnte mit einer versteckten Kamera herkommen, ich könnte dafür sorgen, dass Sie rausfliegen. Aber das ist nicht meine Art. Ich biete stattdessen persönliche Wahlmöglichkeiten an. Wollen Sie wissen, welche
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