Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
die Serviette mit Bier. Reacher zog einen Zehner aus der Tasche, faltete ihn in Längsrichtung, damit er sich nicht rollte, und legte ihn vor sich hin.
»Ich suche einen Kerl«, sagte er.
Der Barkeeper fragte: »Welchen Kerl?«
»Einen jungen Kerl. Anfang zwanzig. Braun gebrannt, kurzes Haar, so groß wie ich.«
»Kenn ich nicht.«
»Ich hab ihn erst heute Nachmittag gesehen. Hier in der Stadt. Er ist aus der Pension gekommen.«
»Dann müssen Sie dort fragen.«
»Das habe ich getan.«
»Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«
»Vielleicht können Sie’s doch. Dieser Kerl hat wie ein Collegesportler ausgesehen. Solche Sportler trinken manchmal ein Bier. Wahrscheinlich ist er ein paarmal hier gewesen.«
»Das war er nicht.«
»Wie wär’s mit einem anderen Typen? Gleiches Alter, aber viel kleiner. Drahtig, ungefähr einen Meter fünfundsiebzig.«
»Nie gesehen.«
»Bestimmt nicht?«
»Garantiert.«
»Haben Sie mal im Werk gearbeitet?«
»Ein paar Jahre. Aber das ist lange her.«
»Und dann?«
»Er hat mich hierherversetzt.«
»Wer?«
»Mr. Thurman. Ihm gehört das Werk.«
»Und auch diese Bar?«
»Ihm gehört alles.«
»Und er hat Sie versetzt? Das klingt nach einem tatkräftigen Firmenchef.«
»Seiner Meinung nach war dies der bessere Arbeitsplatz für mich.«
»Und stimmt das?«
»Darüber steht mir kein Urteil zu.«
Reacher nahm einen großen Schluck von seinem Bier und fragte: »Bezahlt Mr. Thurman Sie gut?«
»Ich kann nicht klagen.«
»Ist das Mr. Thurmans Flugzeug, das hier jeden Abend startet?«
»Außer ihm hat hier niemand eines.«
»Wohin fliegt er?«
»Danach frage ich nicht.«
»Irgendwelche Gerüchte?«
»Nein.«
»Wissen Sie bestimmt, dass niemals irgendwelche jungen Männer bei Ihnen waren?«
»Ganz bestimmt.«
»Und wenn ich einen Hunderter für Sie hätte?«
Der Kerl zögerte kurz und wirkte leicht wehmütig, als stellte er sich vor, wie er sich mit hundert Dollar einen geheimen Wunsch erfüllte. Aber dann zuckte er doch wieder mit den Schultern und sagte: »Ich wüsste’s trotzdem bestimmt.«
Reacher trank einen weiteren kleinen Schluck. Sein Bier begann warm zu werden und schmeckte metallisch und seifig. Der Barkeeper blieb weiter in seiner Nähe. Reacher sah in die Spiegel. Kontrollierte die Spiegelbilder von Spiegelbildern. Keiner der anderen Gäste regte sich. Er fragte: »Was passiert hier mit toten Leuten?«
»Wie meinen Sie das?«
»Gibt’s in der Stadt ein Beerdigungsunternehmen?«
Der Barkeeper schüttelte den Kopf. »Vierzig Meilen weiter westlich. Dort gibt’s ein Leichenschauhaus, ein Bestattungsunternehmen und einen Friedhof. In Despair haben wir keine geweihte Erde.«
»Der kleinere Kerl ist gestorben«, sagte Reacher.
»Welcher kleinere Kerl?«
»Nach dem ich Sie gefragt habe.«
»Ich hab keine kleinen Kerle gesehen, weder tot noch lebendig.«
Als Reacher wieder schwieg, fragte der Barkeeper: »Sie sind also auf der Durchreise?« Eine bedeutungslose Frage, die Zeit schinden sollte und damit bestätigte, was Reacher bereits wusste. Kommt nur, dachte er. Er sah kurz zu dem Notausgang hinüber, dann behielt er in den Spiegeln wieder den Eingang im Auge. Er sagte: »Ja, ich bin bloß auf der Durchreise.«
»Hier gibt’s nicht viel zu sehen.«
»Oh, ich finde Despair ziemlich interessant.«
»Tatsächlich?«
»Wer stellt hier die Cops ein?«
»Der Bürgermeister.«
»Wer ist der Bürgermeister.«
»Mr. Thurman.«
»Das ist eine große Überraschung.«
»Dies ist seine Stadt.«
Reacher sagte: »Ich würde ihn gern kennenlernen.«
Der Barkeeper entgegnete: »Er lebt sehr zurückgezogen.«
»Das sage ich nur so. Ich will keinen Gesprächstermin vereinbaren.«
Sechs Minuten, dachte Reacher. Ich sitze schon sechs Minuten bei diesem Bier. Ungefähr noch zehn Mi nuten. Er fragte: »Kennen Sie den Richter?«
»Er kommt nicht hier rein.«
»Ich frage nicht, wohin er geht.«
»Er ist Mr. Thurmans Firmenanwalt.«
»Ich dachte, er sei als Richter gewählt.«
»Das ist er. Wir haben alle für ihn gestimmt.«
»Wie viele Kandidaten waren aufgestellt?«
»Er hatte keinen Gegenkandidaten.«
Reacher fragte: »Hat dieser Richter einen Namen?«
Der Barkeeper sagte: »Er heißt Judge Gardner.«
»Wohnt Judge Gardner hier in der Stadt?«
»Klar. Wer für Mr. Thurman arbeitet, muss in der Stadt wohnen.«
»Wissen Sie Judge Gardners Adresse?«
»Das große Haus in der Nickel.«
»Nickel?«
»Alle Wohnstraßen sind nach Metallen
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