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Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)

Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)

Titel: Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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und schob sie über den Tisch. Die junge Frau nahm sie, bedankte sich für das Trinkgeld und fragte: »Wann waren Sie denn abgebrannt und hungrig?«
    »Niemals«, antwortete Reacher. »Ich habe mein Leben lang drei anständige Mahlzeiten pro Tag von der Army bekommen, und seit ich nicht mehr dabei bin, war ich nie ohne Geld in der Tasche unterwegs.«
    »Das haben Sie also nur erfunden, damit sie sich besser fühlt?«
    »Manche Leute muss man ein bisschen überreden.«
    »Sie sind ein netter Kerl«, sagte die Bedienung.
    »Das finden nicht alle.«
    »Manche Leute schon.«
    »Tatsächlich?«
    »Man hört so manches.«
    »Was denn?«
    Aber die junge Frau lächelte nur und ging.
    Aus dezenter Entfernung beobachtete Reacher, wie die junge Hispanierin ein Thunfischsandwich aß und dazu eine Schokoladenmilch trank. Eine gute Wahl, was den Nährwert betraf. Ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis für sein Geld. Protein, Fett, Kohlenhydrate, etwas Zucker. Als sie fertig war, tupfte sie sich die Lippen mit ihrer Papierserviette ab, schob Teller und Glas von sich weg und saß dann wieder so still und reglos da wie zuvor. Die Uhr in Reachers Kopf zeigte Mitternacht an, und die Wanduhr des Restaurants folgte eine Minute später. Der alte Kerl mit der Strickmütze schlurfte arthritisch hinkend hinaus; der Traktorenvertreter packte sein Zeug zusammen und bestellte sich noch eine Tasse Kaffee.
    Die junge Hispanierin blieb sitzen. Reacher wússte, dass es viele Leute gab, die sich in Cafés und Schnellrestaurants in der Nähe von Flughäfen und Busbahnhöfen so verhielten, wie sie es jetzt tat. So blieb man warm, sparte Energie und brachte die Zeit herum. Sie besaß Ausdauer. Er betrachtete ihr Profil und überlegte sich, dass sie Zenons Ideal viel näher kam als er. Der Stoizismus verlangt, dass jeder sein Los bedingungslos akzeptiert . Sie wirkte unendlich geduldig und gelassen.
    Der Traktorenvertreter trank seinen letzten Schluck Kaffee, nahm seine Sachen und ging. Die Bedienung zog sich in eine Ecke zurück und schlug ein Taschenbuch auf. Reacher wölbte eine Hand um seinen Becher, um den Kaffee warm zu halten.
    Die junge Hispanierin saß eine Weile einfach nur da.
    Dann rührte sie sich, glitt von der Kunstlederbank und stand auf – alles mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung. Sie war wirklich sehr klein und zierlich. Nicht größer als einen Meter fünfundfünfzig und nicht schwerer als fünfundvierzig Kilo. Außer der Thermojacke trug sie Jeans und billige Schuhe. Sie blieb zunächst dem Ausgang zugewandt stehen, dann sah sie zu Reachers Sitznische hinüber. Ihre Miene drückte Angst, Schüchternheit und Einsamkeit aus. Sie fasste einen Entschluss, kam herüber, blieb einen Meter von seinem Tisch entfernt stehen und sagte: »Wenn Sie wirklich wollen, können Sie mit mir reden.«
    Reacher schüttelte den Kopf. »Was ich gesagt habe, war mein Ernst.«
    »Danke für die Einladung.« Ihre Stimme passte zu ihrem Körperbau. Sie war dünn und zart, mit einem leichten Akzent, aber Englisch war wohl ihre Hauptsprache. Sicher stammte sie aus Südkalifornien. Die Padres waren vermutlich ihre Heimmannschaft.
    Reacher fragte: »Haben Sie Geld fürs Frühstück?«
    Sie zögerte einen Augenblick, während sie mit ihrem Stolz kämpfte, und schüttelte dann den Kopf.
    Reacher fragte: »Mittagessen? Abendessen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Wie sieht’s mit dem Motel aus?«
    »Das ist der Grund dafür. Ich habe für drei Nächte vorausbezahlt. Dafür ist mein ganzes Geld draufgegangen.«
    »Sie müssen aber essen.«
    Die junge Frau schwieg. Reacher überlegte: Zehn Dollar pro Mahlzeit sind dreißig Dollar pro Tag, macht für drei Tage neunzig plus zehn für Unvorhergesehenes oder Telefongespräche, zusammen also hundert. Er zählte fünf Zwanziger frisch aus dem Geldautomaten von seiner Rolle ab und breitete sie fächerförmig auf dem Tisch aus. Die junge Frau sagte: »Ich kann Ihr Geld nicht nehmen. Ich könnte es nicht zurückzahlen.«
    »Zahlen Sie’s stattdessen vorwärts.«
    Die junge Frau sagte nichts.
    »Wissen Sie, was vorwärtszahlen bedeutet?«
    »Nicht richtig.«
    »Es bedeutet, dass Sie irgendwann mal in einem Schnellrestaurant sein und jemanden treffen werden, der eine Chance braucht. Also werden Sie ihm helfen.«
    Die junge Frau nickte.
    »Das könnte ich tun«, sagte sie.
    »Also nehmen Sie das Geld.«
    Sie trat näher und griff nach den Scheinen.
    »Danke«, sagte sie.
    »Danken Sie nicht mir. Danken Sie dem,

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