Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
cremeweiße Krankenbetten. Drei davon waren leer, in einem lag der große Deputy. Er war gut eingepackt. Nur sein Kopf war sichtbar. Er sah nicht besonders gut aus. Blass, regungslos, teilnahmslos. Er wirkte kleiner, als Reacher ihn in Erinnerung hatte. Sein Haar war schütter. Seine offenen Augen waren trüb, nicht fokussiert. Sein flacher Atem ging unregelmäßig. Am Fußende seines Betts hing eine Patientenkarte mit seinem Namen und seinen Symptomen. Reacher hob sie mit dem Daumen hoch und überflog sie. Saubere Schrift. Professionelle Eintragungen. Dem Kerl fehlte alles Mögliche. Er hatte Fieber, Schwächezustände, Atembeschwerden, Kopfschmerzen, Ausschlag, Blasen, Geschwüre, Entzündungen, chronische Übelkeit mit Erbrechen, Durchfall, Dehydrierung und Symptome komplexer innerlicher Krankheiten. Reacher ließ die Karte zurückschwingen und fragte: »Arbeitet hier ein Arzt?«
Thurman sagte: »Ein ausgebildeter Sanitäter.«
»Genügt das?«
»Im Allgemeinen schon.«
»Auch für ihn?«
»Wir tun, was wir können.«
Reacher trat an das Bett und betrachtete den Mann. Sein Teint war gelblich. Von Gelbsucht oder dem von den Wänden reflektierten Schein der Nachtbeleuchtung. Reacher fragte ihn: »Können Sie sprechen?«
Thurman sagte: »Er redet nicht sehr verständlich. Aber wir hoffen, dass er sich bald erholt.«
Der große Deputy warf den Kopf hin und her. Er wollte sprechen, aber mit trockener Zunge in einem ausgetrockneten Mund funktionierte das nicht. Er schmatzte mit den Lippen, atmete tief durch und nahm einen neuen Anlauf. Er sah zu Reacher auf, und seine Augen funkelten, als er sagte: »Das …« Dann machte er eine Pause, um wieder Atem zu holen, blinzelte begann fing erneut – offenbar mit einem anderen Thema. Er sagte stockend: »Sie haben mich hier reingebracht.«
»Nicht ausschließlich«, sagte Reacher.
Der Kerl schüttelte leicht den Kopf, keuchte nochmals und sagte: »Nein, das …« Und dann verstummte er wieder, weil ihm die Stimme versagte, während er nach Atem rang. Thurman fasste Reacher am Ellbogen, zog ihn vom Bett weg und sagte: »Wir sollten jetzt gehen. Das strengt ihn zu sehr an.«
Reacher sagte: »Er gehört in ein richtiges Krankenhaus.«
»Das muss der Sanitäter entscheiden. Ich verlasse mich auf meine Leute. Ich stelle die besten Kräfte ein, die ich finden kann.«
»Hat dieser Mann mit TCE gearbeitet?«
Thurman hob die Augenbrauen. »Was wissen Sie über TCE ?«
»Ein wenig. Es ist ein Gift.«
»Nein, es ist ein Entfettungsmittel. Ein Standardprodukt mit vielfältigen industriellen Anwendungen.«
»Schon möglich. Hat dieser Mann damit gearbeitet?«
»Nein. Und wer damit umgeht, trägt Schutzkleidung.«
»Was fehlt ihm also?«
»Das müssen Sie wissen. Wie er selbst sagte, haben Sie ihn hier reingebracht.«
»Solche Symptome bekommt man nicht von einer Schlägerei.«
»Wissen Sie das bestimmt? Wie man hört, war das mehr als nur eine Schlägerei. Machen Sie sich nie Gedanken darüber, was Sie anrichten? Vielleicht hat er innere Verletzungen erlitten. Vielleicht einen Milzriss.«
Reacher schloss die Augen. Sah wieder die Bar vor sich, das trübe Licht, die gespannt schweigenden Männer, den aufgewirbelten Staub in der Luft, die nach Angst und Streit roch. Er stieß erneut mit seinem Stuhl zu und traf den Kerl unterhalb des linken Rippenbogens und oberhalb der Taille: mit der ganzen Wucht von hundertfünfzehn Kilo, die auf ein einziges Stuhlbein konzentriert waren, das in weiches Gewebe gerammt wurde. Er öffnete die Augen wieder und sagte: »Umso mehr Grund, ihn richtig untersuchen zu lassen.«
Thurman nickte. »Ich lasse ihn morgen nach Halfway ins Krankenhaus bringen. Wenn das die Voraussetzung dafür ist, dass Sie mit reinem Gewissen weiterziehen können.«
»Mein Gewissen ist rein«, sagte Reacher. »Lassen die Leute mich in Ruhe, lasse ich sie in Ruhe. Tun sie das nicht, sind die Folgen ihr Problem.«
»Selbst wenn Sie überreagieren?«
»Wie kommen Sie darauf? Die Kerle waren zu sechst. Was hatten sie mit mir vor? Mir die Wange zu tätscheln und mich freundlich weiterzuschicken?«
»Welche Absichten sie hatten, weiß ich nicht.«
»Doch, das tun Sie«, widersprach Reacher. »Ihre Absichten waren Ihre Absichten. Sie haben Ihre Anweisungen ausgeführt.«
»Und ich habe auf Anweisung einer höheren Macht gehandelt.«
»Was das betrifft, muss ich mich wohl auf Ihr Wort verlassen.«
»Sie sollten sich uns anschließen. Lassen Sie sich mit uns
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