Overkill - Bale, T: Overkill - Terror's Reach
reptilienartigen Eindruck noch verstärkte. Joe beobachtete ihn, und er sah einen Mann, dessen gesamtes Denken jetzt von einer einzigen Überlegung beherrscht wurde: Selbsterhaltung.
Dann sagte Valentin: »Sie sollten ihn töten.«
»Nein.« Joe wandte sich ab und ging in die entgegengesetzte Ecke des Courts. Der Lauf der MP5 folgte ihm auf Schritt und Tritt.
»Ganz sicher?«, fragte Felton.
»Mit dem Mord an einem wehrlosen Mann will ich nichts zu tun haben.«
»Also gut.«
Joe spannte sich an, als Felton sich umdrehte und dem Bewacher etwas zuflüsterte. Dieser trat prompt ans Geländer und eröffnete das Feuer.
Die Schüsse hallten wie Donner von den Wänden des kleinen Raums wider. Juris Körper zuckte unter den Einschlägen, die Kugeln zerfetzten sein Hemd, während ein Regen aus Geschosshülsen in den Court niederging. Joe wandte sich ab und hielt sich schützend die Hände vors Gesicht. Er fragte sich, ob Juri noch etwas gespürt hatte oder ob alles viel zu schnell gegangen war. Und dann fragte er sich, ob er die Antwort gleich am eigenen Leib erfahren würde.
56
Priya blieb stehen, als sie Schüsse aus der Richtung des Spieleraums hörte. Sie verbarg ihr Gesicht vor Liam, damit er ihre Gedanken nicht erraten konnte.
Komme ich zu spät?
Liam stand neben ihr und wartete auf Anweisungen. Von dem Moment an, als sie ihn befreit hatte, war nie ein Zweifel daran aufgekommen, dass sie das Kommando hatte. Selbst jetzt, da er eine Pistole in der Hand hielt, bezweifelte sie, dass er es wagen würde, ihre Autorität in Frage zu stellen.
Ihr war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass er bewaffnet war, doch es verschaffte ihr eine nützliche Verstärkung, jedenfalls für den Moment. Im Zweifelsfall konnte sie ihn immer noch als Köder benutzen.
Sie musste zugeben, dass es ziemlich clever von ihm gewesen war, den Mann zu filzen, den sie erschossen hatte. Und dass er dabei eine Pistole mit Schalldämpfer gefunden hatte, bedeutete, dass er den zweiten Mann erschießen konnte, ohne dass Felton gewarnt wurde.
Aber es war nicht ganz glattgegangen. Nachdem sie den ersten Mann hinter das Bett gezerrt hatten, wo man ihn von der Tür aus nicht sehen konnte, hatte Priya sich in der Tür des Ankleidezimmers versteckt, während Liam sich wieder auf den Boden gelegt und die Hände hinter dem Rücken verschränkt hatte, als wäre er noch gefesselt.
Der zweite Mann war hereingekommen, hatte angenommen, dass Liam keine Bedrohung darstellte, und sich abgewandt, um nach seinem Kollegen zu suchen. Liam hatte die Pistole gezogen und geschossen. Die erste Kugel hatte nur die Schulter des Mannes gestreift, die zweite hatte
ihn ganz verfehlt, und die dritte traf ihn in den Bauch, als er mit einem Satz in Deckung ging. Ohne die kugelsichere Weste wäre der Schuss tödlich gewesen.
Der Mann war zu Boden gegangen, hatte aber noch die Geistesgegenwart besessen, seine eigene Waffe zu ziehen und auf Liam anzulegen. Doch ehe er einen Schuss abfeuern konnte, sprang Priya aus ihrem Versteck und rammte ihm das Messer in den Hals.
»Wie viele sind es noch?«, fragte sie.
Liam brauchte etwas länger, um sich wieder zu fangen. Sein Hand zitterte, als er die Leiche anstarrte. »T-tut mir leid, das hab ich vermasselt …«
»Wie viele?«
»Ähm, nur noch einer von diesen Burschen, glaube ich. Plus Juri und Felton.«
»Was tun sie im Fitnessraum?«
Liam lieferte ihr eine wirre Erklärung über eine Art Duell zwischen Joe und Juri, bei dem Valentin einen Goldbarren gewinnen könnte, falls sein Mann siegte.
»Nicht, dass er den Hauch einer Chance hätte. Aber Mensch, Priya, das ganze Gold da drin!« Liams Miene hellte sich auf, als ihm klar wurde, dass sie jetzt eine Chance hatten, ihren ursprünglichen Plan weiterzuverfolgen. »Das musst du wirklich gesehen haben. Dafür hat sich das alles doppelt und dreifach gelohnt.«
Bevor sie das Zimmer verließ, ersetzte Priya noch das Magazin ihrer MP5 durch ein volles, das sie einem der Toten abgenommen hatte. Liam hatte sich – klugerweise, wie sie fand – entschieden, bei der Pistole zu bleiben.
Jetzt überlegte sie, wie sie die Feuerkraft, die ihr zur Verfügung stand, am besten einsetzen könnte. Nachdem der Entschluss gefasst war, zeigte sie auf die Treppe.
»Du gehst da runter und durch den Fitnessraum. Ich
gehe hier lang. Wer Feltons Mann zuerst vor den Lauf bekommt, knallt ihn ab, okay?«
Nachdem Priya gegangen war, herrschte in der Garage etwa eine Minute lang unbehagliches Schweigen.
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