Overkill - Bale, T: Overkill - Terror's Reach
aufgeschlitzt, aber Liam vermutete, dass es eine der Stichwunden in der Brust war, die ihn getötet hatte.
»Was ist passiert?«
Er sah Priya an. Sie saß am Fuß der Treppe, die Ellbogen auf die Knie gestützt, während die Unterarme locker herabhingen, als wollte sie nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Ihre Hände waren blutverschmiert, und ein Band aus Spritzern zog sich über die Beine ihrer Jeans, gleich unterhalb der Knie. Sie hatte den Kopf gesenkt, und ihr Haar verhüllte ihr Gesicht wie ein feiner Vorhang.
Sie gab keine Antwort, also wiederholte er die Frage. »Was ist passiert? Hat er versucht, dich zu überwältigen?«
Priya hob den Kopf, und der Vorhang aus Haaren teilte sich. »Er sagte, ihm sei schlecht. Fragte, ob er zur Toilette gehen dürfe. Ich sagte nein.« Ihre Stimme war ruhig, klang aber ein wenig gepresst. Ihm fiel auf, dass sie vollkommen still dasaß. Kein Zittern.
»Er rappelte sich auf, sagte, er müsse sich nur umdrehen, aber dann hat er sich auf mich gestürzt. Hat mich am Knöchel gepackt und versucht, mich zu Boden zu ziehen.«
Liam seufzte. Genau deshalb hatte er vorgeschlagen, dass sie die Autos in die Garage fahren sollte.
»Ich konnte nicht zulassen, dass er mich überwältigt. Dafür stand zu viel auf dem Spiel. Ich musste … ich musste
mich einfach verteidigen.« Sie deutete auf die Waffe zu ihren Füßen. Es war ein Stiefelmesser mit zweischneidiger Klinge, wie es von der Armee verwendet wurde.
»Wo kommt das denn her?«
»Ich trage es immer bei mir.« Sie erwiderte Liams Blick. »Zu meinem Schutz.«
Er nickte, während er sich im Kopf einen Vermerk machte. »Hätte nicht auch ein einziger Stich ihn außer Gefecht gesetzt?«
»Er ist immer wieder auf mich losgegangen …« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich musste ihn aufhalten. Aber machen wir uns doch nichts vor – er war ein toter Mann von dem Moment an, als er die Tür aufgemacht hat.«
Liam antwortete mit einem Brummen, das weder Zustimmung noch Widerspruch war. Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihre Erklärung ein klein wenig zu glatt war. Gerade wollte er es ihr sagen, als urplötzlich laute Discomusik einsetzte und sie beide zusammenfahren ließ. Die Musik kam von der Leiche des Immobilienmaklers.
Sein Handy.
Als Joe wieder nach oben ging, war das Haus erfüllt von der hektischen Atmosphäre, die stets mit den Vorbereitungen zu jeglicher Art von Reise mit kleinen Kindern einhergeht. In der Küche packte Cassie gerade Milch, Fläschchen und Lätzchen für Sofia ein. Joe hörte, wie die Kühlschranktür aufging, dann ein Scheppern. Cassie fluchte, Maria kam herbeigeeilt und redete beruhigend auf sie ein.
Juri stellte zwei Reisetaschen in der Eingangshalle ab und stapfte wieder hinaus, während er etwas in das Handy grummelte, das er ans Ohr gepresst hielt. Joe schnappte die Worte auf: »Zehn Minuten, okay?«
Joe durchquerte die Küche, wo Maria gerade die Schweinerei
aufwischte, und ging durch die innere Tür in die Garage, die das Aussehen und die Atmosphäre einer Schulturnhalle hatte. An Weihnachten war Valentin plötzlich auf die Idee verfallen, dass aus Jaden einmal ein Basketballprofi werden sollte, damit er besser für seinen Lebensunterhalt sorgen könnte, und hatte zu diesem Zweck Körbe montieren und einen Kunststoffboden verlegen lassen. Doch Jadens Begeisterung für den Sport hatte, wie bei einem Sechsjährigen kaum anders zu erwarten, sehr bald nachgelassen, und seit ein paar Wochen wurde die Garage wieder für ihren ursprünglichen Zweck benutzt.
Die Autoschlüssel wurden in einem Stahlkasten an der Garagenwand aufbewahrt. Valentins heißgeliebter Porsche 911 war bei der Inspektion, also blieben noch zwei andere Autos: ein fabrikneuer Mitsubishi Pajero und ein 7er BMW. Joe entschied sich für den Pajero, da er wusste, dass Cassie ihn dem BMW vorzog.
Als das große Flügeltor aufschwang, fiel blendend helles Sonnenlicht in die Garage. Joe ließ den Pajero in die Auffahrt rollen, stieg aus und öffnete den Kofferraum. Cassie stand schon mit Sofia auf dem Arm in der Haustür. Sie wirkte gehetzt.
»Ich kann ihren anderen Sonnenhut nicht finden.«
»Der liegt auf dem Rücksitz.«
Cassie brachte es fertig, zu lächeln und gleichzeitig den Eindruck zu erwecken, dass sie sich über sich selbst ärgerte. Sie griff nach dem Buggy der Kleinen, der an der Wand lehnte, doch Joe kam ihr zuvor.
»Kümmern Sie sich um die Kinder. Ich lade die Sachen ins Auto.«
Sie nickte. Dann verfinsterte ihre
Weitere Kostenlose Bücher