Overkill - Bale, T: Overkill - Terror's Reach
verschlagen.
Sie streckte die Hand aus. »Ich heiße Priya. Ich finde es wahnsinnig aufregend, Sie kennenzulernen.«
Oliver schluckte wieder. Das Wort aufregend sprang in seinem Kopf herum wie die Kugel in einem Flipper.
»Geht mir auch so«, brachte er heraus. Er ergriff die Hand der Frau und schüttelte sie. Seine eigene Hand war feucht und zitterte. Sie würde daran sofort merken, wie entsetzlich uncool er war. Er malte sich aus, wie sie ihre Hand zurückzog und sich abwandte, angewidert von seiner Berührung.
Aber das tat sie nicht. Sie hielt seine Hand fest gepackt und trat noch näher, sah ihm tief in die Augen. Als ihr Duft ihm in die Nase stieg, wurde ihm ganz schwindlig. Ihre Lippen schlossen sich, und er war sich sicher, dass sie sich im nächsten Moment zu einem Kuss spitzen würden.
Der erste Kuss. Weich und zärtlich, oder hart und hungrig. So oder so, es würde ein sensationeller Meilenstein sein. Die erste Frau, die er nicht direkt gekauft hatte.
Aber Priya küsste ihn nicht.
Stattdessen boxte sie ihn in die Magengrube.
Fast hätte Angela Weaver die Türglocke überhört. Brel lief im Garten herum und bellte die Möwen an, die im Tiefflug über das Haus strichen – ein Spiel, das beide Seiten aus purem Spaß an der Freude spielten, da war sie sich sicher.
Außerdem war Besuch auf der Insel eher eine Seltenheit. Die wenigen, die kamen, kündigten sich in der Regel lange vorher an, und oft riefen sie auch noch an, wenn sie schon auf der schmalen, kurvenreichen Straße durch das Naturschutzgebiet waren, um mit leiser Panik in der Stimme nach dem Weg zu fragen. Ein Insel mit solchen Traumvillen konnte doch unmöglich so weit vom Schuss sein, oder?
Es gab natürlich noch einen weiteren Grund für den Mangel an Besuchern. Angela wusste ganz genau, dass weder sie selbst noch Donald in letzter Zeit allzu anregende Gesellschaft abgaben. Kein vernünftiger Mensch würde das Risiko eingehen, sich von der Atmosphäre in diesem »Haus aus Trauer und Wut« vergiften zu lassen.
Erst als das fröhliche Bimmeln der Glocke schon fast wieder verhallt war, reagierte Angela bewusst auf das Geräusch. Sie war gerade fertig mit dem Abwasch nach dem Abendessen – sie besaßen zwar eine Spülmaschine, doch es kam selten genug Geschirr zusammen, um ihre Benutzung zu rechtfertigen –, als Donald aus dem Wohnzimmer rief.
»Wer kann das denn bloß sein?«
Du könntest ja einfach hingehen und es herausfinden , dachte sie – eine hartherzige Reaktion, die sie später noch bereuen sollte.
Sie trocknete sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und eilte zur Haustür. Durch die Milchglasscheibe konnte sie die Umrisse von Kopf und Oberkörper eines Mannes sehen.
Als sie die Tür aufmachte, hörte sie nebenan eine Bewegung – das musste Donald sein, der sich hastig zurechtmachte. Er litt unter Blähungen und hatte die irritierende Angewohnheit, nach dem Essen mit offener Hose dazusitzen und seinen Unterleib zu massieren.
Angela zog die Tür auf und schrak zusammen. Was sie da sah, schien jeder Logik zu widersprechen. Im ersten Moment schien es, als sei der Mann immer noch eine zweidimensionale Silhouette. Dann konnte sie zwei schmale, wässrige Augenschlitze ausmachen und begriff, dass der Mann eine Gesichtsmaske trug.
Aus dem Wohnzimmer kam ein Schrei. Donald musste ans Fenster getreten sein. Er rief ihr zu, sie solle die Tür zumachen, doch noch während sie seine Worte zu verarbeiten versuchte, tauchte eine zweite maskierte Gestalt auf und schob sich an ihr vorbei ins Haus.
Angela fuhr herum und versuchte vergeblich, ihn aufzuhalten. Sie hörte das Klicken von Krallen auf den Küchenfliesen, als Brel herbeigetrabt kam. Schon war er im Flur, fletschte die Zähne und knurrte so grimmig, dass er kaum wiederzuerkennen war. Ehe er zum Angriff übergehen konnte, hob der Mann den Arm, und sie sah, dass er eine hässliche schwarze Pistole mit Schalldämpfer in der Hand hielt. Er feuerte zweimal, und Angelas geliebter Labrador brach mit einem vernehmlichen, sehr menschlich klingenden Stöhnen zusammen.
Eine volle Sekunde lang rührte sich niemand. Niemand sprach.
Dann tauchte Donald in der Tür auf. Sein Gesicht war blutleer und vom Schock verzerrt. Der Maskierte drehte sich um und richtete die Pistole auf ihn. Donald warf einen Blick darauf, versuchte etwas zu sagen, brachte aber nur einen unverständlichen Zorneslaut heraus. Angela sah den
Wahnsinn in seinen Augen aufblitzen, einen Wahnsinn, genährt von zwei
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