Overkill - Bale, T: Overkill - Terror's Reach
nicht. Als er sich dem Zaun auf der Westseite näherte, hörte er ein Geräusch von der Straße dahinter. Stampfende Schritte und ein hartes, verzweifeltes Keuchen. Irgendjemand rannte wie der Teufel auf die Brücke zu.
Der ältere Posten rief noch einmal, diesmal in deutlich schärferem Ton. Der Rhythmus der Schritte änderte sich. Joe fand eine dicht mit Farn bewachsene Stelle und verbarg sich darin. Vorsichtig teilte er die Farnwedel und robbte vorwärts, bis er durch den Zaun sehen konnte.
Der Läufer war direkt vor ihm, ungefähr zehn Meter von der Brücke entfernt. Joe erkannte den grauen Anzug des Cadillac-Fahrers. Sein Gesicht war blass und glänzte vor Schweiß. Er kam strauchelnd zum Stehen und wäre fast zusammengebrochen. Der ältere Posten eilte auf ihn zu, während der Angler auf der Brücke blieb und seine Pistole mit beiden Händen gepackt hielt.
»Auf die Knie!«, befahl der Posten.
Der Fahrer gehorchte wie ein Mann, der seinen Körper kaum noch unter Kontrolle hatte, und landete mit einem dumpfen Schlag, bei dem Joe unwillkürlich zusammenzuckte, auf den Knien. Gleich darauf tauchte ein dritter Maskierter mit Pistole auf. Er trug einen schwarzen Overall mit einem Gürtel, an dem ein Funkgerät und ein halbes Dutzend Plastik-Handschellen hingen.
Er blieb hinter dem Fahrer stehen und richtete seine Waffe auf den Nacken des Mannes. Offenbar war er völlig außer Atem, und seine Pistolenhand zitterte. Wenn er jetzt feuerte, wäre es alles andere als eine saubere Hinrichtung.
Doch der Posten schüttelte den Kopf. »Nicht hier. Bring ihn zurück; Liam soll entscheiden, was mit ihm passiert.«
Der dritte Mann murmelte etwas, steckte seine Pistole in den Gürtel und griff nach einer der Plastikfesseln. Er band dem Fahrer die Hände zusammen und zog ihn hoch. Der ältere Posten besprach sich kurz mit Gough, dem Angler. Dann trat er wieder zu dem dritten Komplizen, und gemeinsam führten sie ihren Gefangenen ab.
Gough nahm wieder seine ursprüngliche Position auf
der Brücke ein, neben dem Transporter. Er nahm seine Maske ab, behielt aber die Waffe in der Hand. Der Zwischenfall mit dem Fahrer hatte ihn offenbar nicht unbeeindruckt gelassen. Er wirkte wesentlich wachsamer als zuvor.
Joe ging die Konfrontation am Strand von heute Nachmittag wieder durch den Kopf. Er fragte sich, ob es irgendwelche Hinweise gegeben hatte, die er übersehen hatte. Ihm war jetzt klar, dass Gough die Insel ausgekundschaftet haben musste. Wahrscheinlich hatte er da schon die Waffe dabeigehabt. Wenn Joe den Streit wegen des Abfalls auf die Spitze getrieben hätte, dann wären er und Jaden jetzt vielleicht tot.
Joe verspürte tiefe Verachtung für den Mann, der Angela Weaver von der Straße abgedrängt hatte. Widerstrebend kam er zu dem Schluss, dass es keinen Sinn hätte zu versuchen, sich an die Brücke heranzuschleichen. Alle Rachegedanken würde er fürs Erste zurückstellen müssen.
Er wandte sich ab, ging den grasbewachsenen Hang hinunter und hielt sich dann parallel zur Straße. Diese Ecke des Übungsgeländes bestand aus einer freien Fläche, hier und da mit Sträuchern bewachsen, mit dem einen oder anderen Tümpel dazwischen. Der Untergrund war angenehm zum Laufen, das Gras weich und federnd; freilich musste er aufpassen, dass er nicht über Maulwurfshügel stolperte oder in Kaninchenlöcher trat. Ein gebrochener Knöchel war das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte.
Während er lief, analysierte er, was er bis jetzt gesehen hatte. Die Pistolen und die Funkgeräte wiesen darauf hin, dass es sich um eine groß angelegte, gut organisierte Operation handelte. Aus den Masken und Handschellen wiederum konnte er schließen, dass die Bande beabsichtigte, Geiseln zu nehmen, und nicht wahllos jeden tötete, der ihr
in die Quere kam. Das bedeutete, dass die Bewohner der Insel durchaus noch am Leben sein konnten. In diesem Fall war klar, was Joe zu tun hatte. Er musste sie finden und ihnen zur Flucht verhelfen.
Er machte sich auch keinerlei Illusionen darüber, was seine eigene Lage betraf. Wenn sie ihn erwischten, war die Gefahr sehr groß, dass sie ihn töteten.
Angela Weaver hatte ihm geraten, sich mit seinem Zorn abzufinden. Zu lernen, damit zu leben, ob der Drang nun gerade schlummerte oder wach war. Sie hatte sogar angedeutet, dass er zu irgendetwas gut sein könnte.
Nun, in dem Punkt hat sie richtiggelegen , dachte er.
Und im Moment war sein Zorn hellwach.
29
Als Liam und Eldon die Treppe hinaufgingen,
Weitere Kostenlose Bücher