Overkill - Bale, T: Overkill - Terror's Reach
hörten sie von oben Stimmen. Sie hatten das Dienstmädchen an den Füßen gefesselt, sie mit einem Lappen geknebelt und im Wirtschaftsraum eingesperrt.
Von der Küche abgesehen, war das Haus wesentlich traditioneller eingerichtet als Dreamscape: tiefer Teppichboden, dicke Tapeten und dunkles Holz. Für harte ukrainische Winter wäre es wohl ideal gewesen; hier an der milden Kanalküste wirkte es nur düster und muffig. Der leise Geruch nach Zigarrenrauch, der in der Luft hing, verstärkte noch den Eindruck eines verstaubten englischen Herrenclubs.
Sie erreichten einen geräumigen Flur. Die erste Tür zur Linken war geschlossen. Sie hörten den Amerikaner etwas sagen, hörten McWhirter schallend lachen. Liam nickte Eldon zu. Bist du bereit?
Doch Eldons Augen verrieten Panik. »Vier gegen zwei«, flüsterte er.
»Es ist schon okay«, erwiderte Liam. Und das war es wirklich. Seine Gelassenheit war nicht gespielt.
Liam drehte den Knauf und stieß die Tür auf. Er trat als Erster ins Zimmer, und einen Moment lang fragte er sich, ob Eldon ihn ihm Stich lassen würde, ob er einfach kehrtmachen und davonlaufen würde. Dann registrierte er eine Bewegung an seiner Seite, sah die schockierten Gesichter der Männer im Raum, und er wusste, dass alles gutgehen würde.
Der Schreibtisch, hinter dem Valentin Nasenko saß, war so imposant, dass sein Laptop darauf wie eine Spielkarte wirkte. Der amerikanische Besucher, Travers, saß ihm gegenüber und starrte Liam über die Schulter an.
Die Lakaien, McWhirter und Juri, standen etwas abseits, der eine links, der andere rechts. McWhirter sah aus, als würde er jeden Moment ohnmächtig werden. Er hielt sich an der Kante eines antiken Sekretärs fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Um Juris Mundwinkel spielte ein kleines, bitteres Lächeln. Seine Hand ging langsam zu seiner Tasche, doch da richtete Liam schon die Pistole auf ihn. »Nix da.«
»Wer sind Sie?«, fragte Valentin. Er erhob sich halb von seinem Stuhl und wedelte mit den Armen, als wollte er eine Herde Kühe verscheuchen.
»Hinsetzen«, befahl Liam. »Die Hände flach auf den Tisch. Die anderen legen sich mit dem Gesicht auf den Boden, die Hände hinter dem Rücken.«
Eine Sekunde lang passierte nichts. Niemand sprach. Niemand bewegte sich.
Liam zielte mit der Glock einen halben Meter über Nasenkos Kopf auf die Wand und drückte ab. Die Kugel traf
ein kleines gerahmtes Aquarell einer ukrainischen Landschaft. Die Geschosshülse kullerte über den Boden und blieb vor McWhirters Füßen liegen.
Valentin blinzelte hektisch. Er setzte sich hin und legte die Hände auf den Schreibtisch.
Der Amerikaner rümpfte die Nase, als hielte er nicht allzu viel von der englischen Gastfreundschaft. Sein Blick ging von Juri zu McWhirter.
»Wir sollten besser tun, was er sagt, Gentlemen.«
Priya sah wieder auf ihre Uhr. Es waren erst ein paar Minuten verstrichen, seit Eldon sich Liam angeschlossen hatte, und schon jetzt zog sich die Zeit wie Kaugummi.
Aber alle hatten sich an den Plan zu halten, das musste auch sie akzeptieren. Sie wusste, dass es klug war, die Gefangenen in ihren eigenen Häusern festzuhalten, bis die Insel gesichert war. Sie hatte nur nicht vorhergesehen, dass ihr die Rolle der Babysitterin zufallen würde.
Natürlich waren sie davon ausgegangen, dass das Felton-Haus leer sein würde. Es war eigentlich nicht Liams Schuld, dass ihre Aufklärungsarbeit lückenhaft gewesen war. Er hatte argumentiert, dass sie durch eine Überwachung mehr riskierten, als sie gewinnen würden, und Goughs kleine Konfrontation am Strand hatte ihm recht gegeben.
»Kannst wohl kaum erwarten, dass es endlich weitergeht? «
Priya fuhr zusammen, als sie Olivers Stimme hörte. Sie sah ihn kurz an, sagte aber nichts. Das Surren der Klimaanlage machte die folgende Stille nur umso intensiver.
Sie saßen im großen Salon im Erdgeschoss, einem riesigen Raum mit minimalistischer Einrichtung aus Marmor, Stahl und Leder. Es gab keine weichen Stoffe und
so gut wie keine Farben. Der Gesamteindruck war düster und unpersönlich. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass irgendein Mensch sich hier wirklich entspannen könnte.
Oliver Felton beobachtete sie weiter. Von dem Moment an, als er begriffen hatte, dass sie ihn nicht auf der Stelle töten würden, war er immer selbstsicherer geworden. Er schien regelrecht fasziniert, nicht nur von ihr, sondern auch von der Situation.
Sie erinnerte sich an Liams Worte: Nicht alle Latten am Zaun. Den
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