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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Mann. »Er heißt Giovanni Giordano, aber die Amis haben den Namen vermurkst,
an dem Tag, als er vom Schiff kam.«
    Das klang nach einer Einwanderungsgeschichte und nicht nach der
Geschichte, für die Owen und ich uns interessierten, also fragte ich den Mann
höflich: »Lebt Ihr Vater noch?«
    »He, Papa!« rief der Mann. »Lebst du noch?«
    Eine weiße Tür, die so kunstvoll in die weiße Wand eingelassen war,
daß Owen und ich sie nicht bemerkt hatten, ging auf. Ein alter Mann mit einem
Maßband um den Hals und Stecknadeln am Revers seiner Weste kam in den
Verkaufsraum.
    »Natürlich leb ich noch!« sagte er. »Wartest du etwa auf ein Wunder?
Hast’s wohl eilig mit dem Erben?« Er hatte einen Bostoner Akzent, aus dem man
seine italienische Herkunft noch heraushören konnte.
    »Papa, diese Jungen wollen was über einen Brand wissen«, [485]  erklärte der Sohn; er war kurz angebunden und
hatte einen stärkeren Bostoner Akzent als sein Vater.
    »Was für ein Brand?« fragte uns Mr.   Giordano.
    »Man hat uns gesagt, Ihr Geschäft sei abgebrannt – vor zehn oder
fünfzehn Jahren«, erklärte ich.
    »Das ist mir neu!« meinte Mr.   Giordano.
    »Meine Mutter muß sich geirrt haben«, sagte ich. Ich zeigte ihm das
alte Etikett. »Sie hat ein Kleid bei Ihnen gekauft – vor ungefähr zehn oder
fünfzehn Jahren.« Ich wußte nicht, was ich sonst sagen sollte. »Ein rotes
Kleid«, fügte ich hinzu.
    »Was du nicht sagst«, erwiderte der Sohn.
    »Wenn ich bloß ein Bild von ihr dabeihätte – ich kann Ihnen das
nächste Mal eins mitbringen. Vielleicht erinnern Sie sich an sie, wenn ich
Ihnen ein Bild von ihr zeige«, sagte ich.
    »Will sie das Kleid ändern lassen?« fragte
der Alte. »Dann muß sie selbst kommen. Nach Fotos mach ich keine Änderungen!«
    »SIE IST TOT «, sagte Owen Meany. Wieder
fuhr seine kleine Hand in die Tasche. Er zog einen sorgsam gefalteten
Briefumschlag heraus; in dem Umschlag steckte das Foto, das ihm meine Mutter
gegeben hatte – es war ein Hochzeitsfoto, auf dem sie sehr hübsch aussah und
Dan ganz passabel; auf die Rückseite hatte meine Mutter ein kleines Dankeschön
für Owen und seinen Vater geschrieben, für das ungewöhnliche Hochzeitsgeschenk.
» ICH HAB ZUFÄLLIG EINS DABEI «, meinte Owen und schob
das Heiligtum zu Mr.   Giordano hinüber.
    »Frank Sinatra!« rief der alte Mann aus; sein Sohn nahm ihm das Bild
weg.
    »Sieht mir aber nicht wie Frank Sinatra aus«, meinte er.
    »Nein! Quatsch!« rief der alte Mann; er nahm seinem Sohn das Bild
aus der Hand. »Sie mochte diese Lieder von Sinatra – hat sie wirklich gut
gesungen. Wir haben uns über ›Frankie Boy‹ unterhalten – deine Mutter hat
gesagt, er hätte eine Frau sein sollen, mit so einer
schönen Stimme«, meinte Mr.   Giordano.
    [486]  »WISSEN SIE,
WOFÜR SIE DAS KLEID GEKAUFT HAT?« fragte Owen.
    »Klar weiß ich das!« gab der alte Mann zurück. »In dem Kleid hat sie
immer gesungen !›Ich brauch
was zum Singen!‹ – das hat sie gesagt, als sie hier reinkam. ›Ich brauch was, das
einen ganz anderen Typ aus mir macht‹ – das hat sie
gesagt. Ich werde sie nie vergessen. Aber ich wußte nicht, wer sie war – nicht,
als sie hier reingekommen ist, damals nicht!« sagte
Mr.   Giordano.
    »Jetzt sag schon, wer war sie?« wollte der Sohn wissen. Bei seiner
Frage erschauderte ich; in dem Augenblick wurde mir klar, daß auch ich im
Grunde nicht wußte, wer sie war.
    »Sie war die ›Lady in Red‹ – weißt du nicht mehr?« sagte Mr.
Giordano zu seinem Sohn. »Sie hat doch immer noch in dem Laden gesungen, als du
aus dem Krieg heimgekommen bist. Wie hieß der doch gleich?«
    Der Sohn schnappte sich das Bild.
    » Die ist das!« rief er.
    »Die ›Lady in Red‹«, riefen beide aus.
    Ich zitterte. Meine Mutter eine Sängerin – in einer Bar! Man nannte
sie »The Lady in Red!« Sie war eine Sängerin – in
einem Nachtclub ! Ich sah Owen an; er schien sich
geradezu wohlzufühlen – er wirkte ziemlich ruhig, und er lächelte. » IST DAS NICHT VIEL INTERESSANTER ALS DIE STRIPTEASEBAR ?«
meinte er.
    Die Giordanos erzählten uns, daß meine Mutter als Sängerin in einem
Nachtclub in der Beacon Street gearbeitet hatte – »ein grundanständiges Lokal!«
wie uns der alte Mann versicherte. Sie hatten einen schwarzen Pianisten – er
spielte altmodisch, was (wie uns die Giordanos erklärten) bedeutete, daß er die
alten Melodien spielte, und schön leise, »so daß man die Sängerin auch hören
konnte!«
    Es war kein

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