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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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der Art Menschen, die viele Schüler der Gravesend Academy für die
faszinierendsten Menschen hielten, die es gab; Owen und ich hingegen hatten von
den meisten dieser Leute noch nie auch nur gehört. Doch von Präsident John F. Kennedy hatten wir durchaus schon gehört; und wir
hatten auch jeden Film mit Marilyn Monroe gesehen.
    »Wißt ihr, was meine Mutter mir in den Ferien erzählt hat?« fragte
Larry Lish Owen und mich.
    »Laß mich raten«, erwiderte ich. »Sie wird dir ein Flugzeug
schenken.«
    »UND ALS DEIN VATER WIND DAVON BEKOMMEN HAT«, meinte
Owen Meany, »HAT ER GESAGT, ER SCHENKT DIR EINE VILLA IN FRANKREICH – AN DER CÔTE D’AZUR!«
    »Dieses Jahr nicht«, erwiderte Larry Lish grinsend. »Meine Mutter
hat mir erzählt, daß Kennedy es mit Marilyn Monroe treibt – und mit zahllosen
anderen auch«, fügte er hinzu.
    »DAS IST WIRKLICH EINE GESCHMACKLOSE LÜGE!« sagte
Owen Meany.
    »Es ist die Wahrheit«, entgegnete Larry Lish mit einem Grinsen.
    »WER SOLCHE GERÜCHTE VERBREITET, GEHÖRT INS GEFÄNGNIS !« ereiferte
sich Owen.
    [514]  »Kannst du dir meine
Mutter im Gefängnis vorstellen?« entgegnete Lish. »Das ist kein Gerücht. Es ist nämlich so: im Vergleich zum Präsidenten
sieht ›Mösen-Champion‹ Meany aus wie ’ne Jungfrau – Kennedy kriegt jede Frau,
die er haben will.«
    »UND WOHER WEISS DEINE MUTTER DAS?« fragte
Owen Lish.
    »Sie kennt alle Kennedys«, meinte Lish
nach einem Augenblick leicht angespannten Schweigens. »Und mein Vater kennt
Marilyn Monroe«, fuhr er fort.
    »UND SIE ›TREIBEN ES‹ WOHL IM WEISSEN HAUS?« wollte
Owen wissen.
    »Ich weiß jedenfalls, daß sie es in New York getrieben haben«, sagte
Lish. »Ich weiß nicht, wo sonst noch – ich weiß nur, daß sie es schon seit Jahren treiben. Und wenn der Präsident keine Lust mehr auf
sie hat, dann reicht er sie an seinen Bruder Robert weiter, hab ich gehört.«
    »DU BIST WIDERLICH «, sagte Owen Meany.
    »Die Welt ist widerlich!« lachte Larry
Lish. »Meinst du etwa, ich lüge?«
    »ALLERDINGS «, gab Owen zurück.
    »Meine Mutter holt mich zum Skilaufen ab – nächstes Wochenende«,
sagte Lish. »Da kannst du sie selbst fragen.«
    Owen zuckte mit den Schultern.
    »Meinst du, sie lügt?« fragte Lish; wieder
zuckte Owen mit den Schultern. Lish war ihm zuwider – und auch Lishs Mutter;
oder zumindest war ihm die Sorte Frauen zuwider, der er Larry Lishs Mutter
zurechnete. Doch Owen Meany hätte niemandes Mutter eine Lügnerin genannt.
    »Eins sag ich dir, Sarkasmus-Champion«, meinte Larry Lish. »Meine
Mutter ist eine Klatschtante und eine dumme Kuh, aber sie ist keine Lügnerin; sie hat gar nicht genug Phantasie, um sich
solche Sachen auszudenken!«
    Das war einer der unfeinen Züge unserer Altersgenossen an der
Academy: Es schmerzte Owen und mich, zu hören, wie viele [515]  unserer Klassenkameraden sich abschätzig über
ihre Eltern äußerten. Sie nahmen das Geld ihrer Eltern, sie machten sich die
Sommerresidenzen und Wochenendhäuschen ihrer Eltern zunutze – meist wußten die
Eltern nicht mal, daß die Kinder die Schlüssel dazu hatten! Und oft redeten sie
über ihre Eltern, als hielten sie sie für das Letzte – oder zumindest für
strohdumm.
    »WEISS JACKIE VON MARILYN MONROE ?« fragte Owen Larry Lish.
    »Frag doch meine Mutter«, entgegnete der.
    Die Aussicht auf ein Gespräch mit Larry Lishs Mutter wirkte
keinesfalls beruhigend auf Owen. Die ganze Woche brütete er darüber. Er mied
das Büro der Schülerzeitung The Grave, einen Raum, in
dem er stets der Größte war. Schließlich hatte sich Owen von Kennedy inspirieren lassen; zwar hätte die persönliche
(beziehungsweise die sexuelle) Moral des Präsidenten nicht jedem die
Begeisterung für seine politischen Ideale und Ziele genommen, aber Owen war
eben nicht »jeder« – und er war auch nicht so abgeklärt, daß er private und
öffentliche Moral voneinander hätte trennen können. Ich bezweifle, daß Owen je
so »abgeklärt« geworden wäre, um diese Unterscheidung zu treffen – nicht mal
heute, wo diese blöden Fernsehprediger offenbar die einzigen Menschen sind, die
hartnäckig behaupten, öffentliche und private Moral seien un trennbar,
und die ihr »Wissen« kundtun, daß Gott Kapitalisten lieber hat als Kommunisten
und Kernkraft lieber als lange Haare.
    Wo stünde Owen heute? Er war schockiert, daß Kennedy – ein
verheirateter Mann! – es mit Marilyn Monroe »treiben« konnte; ganz zu schweigen
von »zahllosen anderen«. Doch Owen

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