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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ZUG SPRINGEN MUSS«, sagte Owen. »›VOR DEM
SPRUNG SICHERSTELLEN, DASS MAN DIE RICHTIGE SEITE GEWÄHLT HAT, ANDERNFALLS
SPRINGT MAN MÖGLICHERWEISE VOR EINEN ENTGEGENKOMMENDEN ZUG.‹«
    [678]  »Ich geh kaputt!«
brüllte ich.
    »HÖR DIR DAS MAL AN«, fuhr er fort. » › STRYCHNIN PFLANZEN WACHSEN WILD IN DEN TROPEN. DIE KÖSTLICH AUSSEHENDE WEISSE ODER
GELBE FRUCHT KOMMT IN SÜDOSTASIEN SEHR HÄUFIG VOR. DAS FRUCHTFLEISCH IST
AUSSERGEWÖHNLICH BITTER, UND DIE SAMEN ENTHALTEN EIN STARKES GIFT.‹«
    Ich verkniff mir die Bemerkung, daß Strychnin meiner Meinung nach
wohl kaum in Indiana oder Arizona wuchs.
    »HIER IST NOCH WAS AUS DER
›ERZÄHL-KEINEN-SCHEISS-KATEGORIE‹«, sagte Owen. »ES GEHT UM ›VERHALTENSWEISEN BEI GERINGER MÖGLICHKEIT,
BEFREUNDETES VON FEINDLICHEM TERRITORIUM ZU UNTERSCHEIDEN‹ – HÖR ZU: ›ES IST
SCHWIERIG, DIE AUFSTÄNDISCHE VON DER FREUNDLICH GESINNTEN BEVÖLKERUNG ZU
UNTERSCHEIDEN‹.«
    Ich konnte mir nicht helfen; ich sagte: »Ich hoffe, du hast dieses
Problem weder in Indiana noch in Arizona.«
    »UND JETZT WAS AUS DEINEM BUCH «, sagte er und
klappte sein Field Manual zu.
    Ich versuchte, ihm etwas von Mrs.   Satterthwaites Tochter zu erzählen – daß sie Mann und Kind verlassen hatte und mit einem anderen Mann
davongelaufen war, und jetzt wollte sie, daß ihr Mann sie wieder zu sich nahm,
obwohl sie ihn haßte und ihn unglücklich machen wollte. Ein Freund der Familie – ein Priester – vertraut Mrs.   Satterthwaite seine Meinung an, wie ihre Tochter
früher oder später auf einen Treuebruch ihres Mannes, der nach Meinung des
Priesters unausweichlich ist, reagieren wird. Der Priester glaubt, die Tochter
werde das Haus niederreißen und die Welt werde von ihren Verfehlungen
widerhallen.
    Dann kommt die Szene, die ich Owen Meany vorlas:
    »›Meinen Sie damit‹, sagte Mrs.   Satterthwaite, ›daß Sylvia etwas
Vulgäres tun würde?‹
    ›Tut das nicht jede Frau, die einen Mann hat, den sie jahrelang
quälen konnte und der sie dann verläßt?‹ gab der Priester zurück. [679]  ›Je mehr sie sich daran gewöhnt hat, ihn zu
quälen, desto weniger glaubt sie das Recht zu haben, ihn zu verlieren.‹«
    »WAS FÜR EINE WELT !« bemerkte Owen
Meany.
    Es gab mehr Motorboote als Seetaucher auf dem Loveless Lake; selbst
spätabends hörten wir mehr Geräusche von Maschinen als von der Natur. Wir
wollten weiter nach Norden, durch Dixville Notch und zum Lake Francis; dort
gebe es noch »unberührte Natur«, hatte Simon erzählt. Und das Campen am Lake
Francis, einem der nördlichsten Seen von New Hampshire, war wirklich
einzigartig: doch Owen Meany und ich waren nicht ans Campen gewöhnt. Am Lake
Francis waren die Schreie der Seetaucher so schrill und traurig, daß sie uns
Angst einjagten; und das tiefe Schwarz des Seeufers in der Nacht war
furchterregend. Die Nächte waren so von Lärm erfüllt – dem Tamtam der Insekten,
Vögel und größeren Tiere – daß wir nicht schlafen konnten. Eines Morgens sahen
wir einen Elch.
    »FAHREN WIR LIEBER WIEDER, EHE UNS NOCH EIN BÄR ÜBER
DEN WEG LÄUFT «, meinte Owen Meany. » AUSSERDEM «,
fügte er hinzu, »SOLLTE ICH NOCH EIN BISSCHEN MIT HESTER
ZUSAMMENSEIN.«
    Doch als wir den Lake Francis verließen, lenkte er seinen
Transporter nach Norden – in Richtung Quebec.
    »WIR SIND GANZ NAHE AN KANADA«, sagte
er. »ICH WILL ES MAL SEHEN.«
    An dieser Grenze gibt es nichts zu sehen – nur Wälder, meilenweit,
und eine schmale Straße, so mitgenommen vom Winter, daß sie eine bleierne Farbe
angenommen hat und mit Frostaufbrüchen übersät ist. Der Grenzposten – das
Zollhaus – war nur eine Kabine; die Schranke über der Straße sah so dürftig und
unschuldig aus wie die eines Bahnübergangs –, und sie war offen. Die
kanadischen Zollbeamten schenkten uns keinerlei Beachtung – obwohl wir den
Kleintransporter etwa hundert Meter vor der Grenze parkten, wieder in Richtung
Vereinigte Staaten gewandt; dann [680]  stiegen
wir auf die Ladefläche und sahen uns Kanada eine Weile an. Wir saßen eine halbe
Stunde da, ehe einer der kanadischen Grenzbeamten ein paar Schritte auf uns
zukam und uns anstarrte.
    Es waren keine Autos unterwegs, und die dunklen, turmhohen Tannen
beiderseits der Grenze ließen keinen besonderen Respekt vor Staatsgrenzen
erkennen.
    »ICH BIN SICHER, DAS IST EIN LAND, IN DEM MAN LEBEN
KANN «, sagte Owen Meany, und wir fuhren zurück nach Gravesend.
    Wir veranstalteten in unserem Haus in der Front Street

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