P. S. Ich töte dich
Straße erreicht hatte; dann scherten sie aus der Parklücke aus und folgten ihm. Es war nicht schwer, sich an den auffälligen Wagen zu heften, und nach 15 Minuten bogen sie in eine Straße mit heruntergekommenen Reihenhäusern ein, irgendwo im hintersten Winkel von Moorside. An der Ecke fiel ein hell erleuchteter Laden auf, dessen Fenster mit Werbung für billigen Alkohol vollgepflastert waren. Sanders hielt an und betrat den Laden. In der Hand trug er eine Sporttasche.
»Das muss es sein«, stieß Carol hervor. »Komm, Paula.«
Sie rannten die Straße hinunter und versuchten, die Tür zu öffnen, aber irgendetwas blockierte sie. Carol nahm einige Schritte Anlauf und rammte ihre Schulter gegen den hölzernen Rahmen. Es krachte, und die Tür sprang auf.
Sanders stand hinter dem Ladentisch, einen Cricketschläger in der Hand, und starrte sie entsetzt an. »Polizei, lassen Sie die Waffe fallen«, rief Carol, während sich Paula über den Ladentisch beugte.
»Hier liegt jemand, Chef. Sieht aus, als wäre er bewusstlos«, sagte sie.
Der Cricketschläger fiel klappernd zu Boden. Sanders sank in die Knie, den Kopf in den Händen. »Das ist alles eure Schuld«, jammerte er, »weil ihr die Schuldigen immer laufen lasst.«
Carol ließ sich in Tonys Ohrensessel fallen und bat ihn um einen Drink. »Er hat alles gestanden«, sagte sie. »Es schien fast wie eine Erleichterung für ihn, dass wir ihn gefasst haben.« Sie schloss einen Moment lang die Augen und sah Sanders’ abgezehrtes Gesicht vor sich.
»Das gilt für die meisten Verbrecher, wenn man es nicht gerade mit einem Psychopathen zu tun hat«, antwortete Tony.
Carol seufzte. »Auch für dich fröhliche blutige Weihnachten!«
»Immerhin hast du einen weiteren Mord verhindert«, sagte Tony und reichte ihr ein Glas Wein. »Das ist keine geringe Leistung.«
»Ja, wahrscheinlich. Immerhin kann Jahinder Singhs Familie jetzt unbeschwert feiern; für den Vater wird es keine weiteren Konsequenzen haben, dass er an Minderjährige Alkohol verkauft hat.« Ehe Carol noch etwas sagen konnte, klingelte ihr Handy. »Was gibt es?«, brummelte sie ärgerlich. Sie lauschte aufmerksam, und ein zartes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Vielen Dank für die Information«, sagte sie und beendete das Gespräch. »Das war Cassidy. Der Weihnachtsmann ist wieder zu Hause. Sie haben zwei Möchtegern-Kidnapper festgenommen, und niemand wurde verletzt.«
Tony erhob sein Glas und lächelte Carol zu. Ein Grundsatz ihrer Arbeit war es, aus jedem noch so schlimmen Fall das Beste zu machen. Das war zwar kein richtiges Happy-End, aber immerhin hatten sie mehr erreicht als in vielen anderen Fällen zuvor. Zufrieden lehnte er sich zurück.
Aus dem Englischen von Helene Weinold
Fehler im System
Thomas Thiemeyer
»Das Leben ist ein Scheißspiel, aber die Grafik ist geil.«
Mirko M.*
H ören Sie zu. Die Geschichte, die ich Ihnen erzählen werde, ist ungewöhnlich. Sie wird Ihre Welt vermutlich für immer verändern, vielleicht sogar die aller Menschen.
Also hören Sie gut zu.
Es gibt ein russisches Sprichwort:
Man kann mit einer Lüge in der Welt vorankommen, aber niemals zurückkehren.
Mein Therapeut hat es mir vor einiger Zeit erzählt, und je länger ich darüber nachdenke, desto bedeutungsvoller wird es. Es könnte erklären, warum so viele Menschen ihren Weg konsequent weiterverfolgen, obwohl sie wissen, dass er falsch ist. Ich meine, seien wir doch mal ehrlich. So dumm kann niemand sein, dass er nicht wüsste, wie unglücklich hemmungsloses Anhäufen von Macht und Geld einen Menschen machen kann. Schauen Sie sich die Manager an, die millionenschwere Bankkonten besitzen, es aber trotzdem nicht lassen können, den Staat um ein paar lumpige Euro zu bescheißen. Meinen Sie, die können gut schlafen? Meinen Sie, diese lodernde Gier erzeugt angenehme Gefühle? Oder die Bonzen, die sich auf die Gleise werfen, weil sie durch Fehlspekulationen und Zockerei auf ein Privatvermögen von ein paar Milliarden Euro zurückgeworfen werden.
Milliarden!
So viel Geld kann kein Mensch im Leben ausgeben, schon gar nicht, wenn er über siebzig ist. Trotzdem lassen sie sich so davon runterziehen, dass sie lieber in Stückchen gehackt auf den Gleisen enden, als den Lebensabend mit einer braungebrannten Schönheit im Arm und einem Mai Thai in der Hand unter dem strahlend blauen Himmel eines tropischen Inselparadieses zu verbringen.
Da stimmt doch etwas nicht.
Es scheint so, als ob Geld und Macht ab
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