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P. S. Ich töte dich

Titel: P. S. Ich töte dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Engine des
Real-Life
, wie die Online-Community es so schön nennt, hinken Computerspiele doch deutlich hinterher. Aber das wird noch. Es kommt der Tag, an dem der Unterschied nicht mehr feststellbar sein wird. Dann werden all jene, die sich noch immer an die Hoffnung geklammert haben, es gäbe sie – die echte, wirkliche Welt –, an ihren Kopf fassen und sich fragen, warum sie den Lug und Trug nicht längst gesehen haben.
    Und jetzt raten Sie mal, warum ich Ihnen das alles erzähle. Weil ich diesen Punkt bereits erreicht habe.
    Ich lasse mich nicht länger von der High-End-Grafik blenden. Die akustischen, haptischen und oralen Reize der Real-Life-Engine verpuffen an meinen Nervenenden wie Schneeflocken auf einer heißen Herdplatte. Die Wege des Großen Programmierers mögen unergründlich sein, unfehlbar sind sie nicht. Das wird einem besonders an solchen Tagen wie dem heutigen bewusst.
    Ohne jetzt arrogant klingen zu wollen, aber ich sehe mich als Weiterentwicklung der Evolution. Der
Homo transzendentalis,
wenn Sie so wollen. Ein Mann, der das Blendwerk durchschaut hat. Dessen Metamorphose das Trugbild unserer Realität zum Einsturz bringen wird, weil er den Himmel als das entlarvt hat, was er in Wirklichkeit ist: ein binäres Zahlengeflecht. Ich mag nur ein kleines Bauelement inmitten des riesigen Räderwerks sein, aber das Rädchen, das quietscht, bekommt das Öl, ist es nicht so? Und ich habe vor, gewaltig zu quietschen.
    Nun ja, genau genommen werden Sie es sein, der quietscht, aber es ist der Gedanke, der zählt. Ich habe vor, meine Geschichte ganz groß rauszubringen. Die Presse ist bereits informiert. Zwischen Weihnachten und Neujahr wird unsere Story auf jeder Titelseite zu finden sein. Wenn das Einsatzkommando kommt, werden die Fotografen bereits in Position stehen und jedes noch so unappetitliche Detail dokumentieren. Denken Sie nur, welche Schlagzeilen wir machen werden. Die Menschen werden sich an den Kopf fassen und fragen: Welchen Sinn hatte diese Tat? War es ein Racheakt oder steckte noch etwas anderes dahinter? Wie kann ein Mensch nur so etwas tun? Und ich werde antworten: Weil ich es kann. Weil das System so ist, wie es ist, und weil es kein Zurück mehr gibt.
    Wer weiß, vielleicht kann ich einige sogar zur Nachahmung animieren. Je mehr, desto besser, das beschleunigt den Absturz des Programms. Mit dem, was ich zu tun gedenke, werde ich so ziemlich gegen alle Tabus und Regeln verstoßen, die je ein Programmierer erdacht hat. Wenn dieser nur einen Funken Liebe für sein Werk empfindet, dann wird er einsehen, dass es so nicht weitergeht, und den Reset-Knopf drücken. Er wird das Programm noch ein bisschen weiterlaufen lassen, um die Liste von Fehlermeldungen zu vervollständigen, aber irgendwann ist Schluss. Reboot und Neustart. Diesmal hoffentlich etwas besser.
    Jetzt schauen Sie doch nicht so erschrocken. Ihnen wird nichts geschehen. Da Ihre Existenz virtueller Natur ist, ist es Ihr Tod automatisch auch. Sie leben nicht, ergo können Sie auch nicht sterben. Ihr Geist – wenn man ihn denn so nennen will – wechselt vom Desktop zurück in die Eingeweide der Speicherbank, wo er sich für den nächsten Anlauf bereitmacht. Dass dieses Zwischenstadium als unangenehm empfunden wird, liegt in der Natur der Dinge. Alle Lebewesen empfinden Veränderung als etwas Unangenehmes, aber das ist nur von kurzer Dauer.
    Tja …
    Sie merken, ich zögere.
    Nun, ich will es Ihnen nicht verheimlichen. Es gibt eine Sache, die mich noch zurückhält. Es ist nicht leicht zu erklären, aber ich entnehme Ihren hoffnungsvoll schimmernden Augen, dass es Sie interessiert. Wie soll ich es bezeichnen? Skrupel? Nein. Eher ein letzter Schnipsel eines Programmcodes – nennen wir ihn
Instinkt
 –, der behauptet, ich würde mir das alles nur einbilden. Eine ferne Stimme, die monoton, gleichwohl nervtötend behauptet, gut sei gut, böse sei böse, oben sei oben und unten sei unten. Wiewohl wir ja alle wissen, dass nicht mal das stimmt. Immerhin befinden wir uns auf einer rotierenden Kugel, die mit halsbrecherischem Tempo durch den Äther rast. Da gibt es kein Oben und Unten. Aber diese Stimme lässt sich nicht abstellen. Unentwegt wiederholt sie ihre Thesen, fast wie ein Mantra, und verursacht mir rasende Kopfschmerzen dabei. Fast könnte man glauben, ich wäre in einem Klartraum gefangen.
    Sie nicken so eifrig. Kennen Sie etwa diese Art von Träumen?
    Das trifft sich gut. Dann können Sie mir vielleicht folgende Frage

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