P. S. Ich töte dich
ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche. Zu viel getrunken, über Rot gefahren und dabei erwischt worden. Seien wir doch mal ehrlich, unter Männern ein Kavaliersdelikt. Man gibt den Schein für ein Jahr ab, lässt sich chauffieren, und das war’s. Die Dame hingegen folgte ihren moralischen Grundsätzen, trat zurück und überließ das Feld jemand anderem. Jemandem mit mehr Hunger und weniger Skrupeln. Lässt man diesen Mechanismus eine Weile laufen, bleiben nur noch die Unmoralischen übrig. Der Abschaum, der wie Müll an der Wasseroberfläche treibt. Das ist unser Lebensprinzip.
Only the good die young
. Dabei ist das Böse, wenn man es genau betrachtet, ja nichts anderes als das Gute, nur auf die Spitze getrieben.
Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Vorsätzen
, nicht wahr? Na sehen Sie. Hitler ist auch nicht morgens aufgestanden, hat seine Hände gerieben und sich gefragt: »Was kann ich heute Böses anstellen?« Was er tat, geschah nach bestem Wissen und Gewissen. Zumindest in seinen Augen. Sie verstehen, worauf ich hinauswill.
Nein?
Dann lassen Sie es mich anders formulieren. Was ist Realität? Dass Sie Heiligabend in einem neonbeleuchteten Keller sitzen, festgeschnallt auf einem Zahnarztstuhl, der aus einer Konkursmasse über E-Bay seinen Weg zu mir gefunden hat? Dass Sie in Ihrem Mercedes SLK noch schnell ein paar letzte Besorgungen machen wollten, ehe Sie zu Ihrer Familie heimkehren und ein konsumtechnisch orientiertes Weihnachtsfest feiern? Dass ich Sie dabei beobachtet, im Parkhaus betäubt und in ein Auto gezerrt habe? Und jetzt stecken Sie in diesem gottverdammten Alptraum fest und hören sich das Geschwätz eines vermeintlichen Psychopathen an.
Blöde Geschichte.
Aber mal ehrlich: Wie glaubwürdig ist das? Mathematisch gesehen tendiert die Wahrscheinlichkeit, dass einem so etwas widerfährt, gegen null. Oder nehmen Sie meinen Fall. Datenbankadministrator einer großen deutschen Bank, der nach dem Kollaps wegrationalisiert wurde, während die anderen – Leute wie Sie –, die den ganzen Schlamassel angerichtet haben, weiterhin fest im Sattel sitzen und sich aus Staatsgeldern Boni auszahlen lassen. Dass meine Frau mich verlassen hat und meine Kinder jetzt einen anderen Vater haben? Dass ich zusehen darf, wie ich mit meiner mickrigen Arbeitslosenunterstützung den ganzen Laden am Laufen halte?
Unglaubwürdig, oder? Im Film würde man darüber die Nase rümpfen und rufen: Klischee! Man würde dem Produzenten die Schuld in die Schuhe schieben und sagen, er hätte mal lieber an den Effekten sparen und dafür ins Drehbuch investieren sollen. Auch in der Spielerbranche gibt es einen Ausdruck dafür. Er lautet
schlecht gescripted
.
Ich nenne so etwas Systemfehler.
Plato sagte einst: »Die Illusion ist ein Schatten an der Wand.« Ich behaupte, nicht die Illusion ist der Schatten, die Realität ist es. Seien wir doch mal ehrlich. Das Leben, das wir führen, ist doch ein Witz. Da ist jeder Tag in
Sim City
,
Second Life
oder im
World-of-Warcraft-Universum
angenehmer. Man ist ein Zwerg oder Nachtelf, erfüllt Aufträge, für die man grüne, blaue oder violette Gegenstände erhält, trifft Freunde und Bekannte, hält hier und da ein Schwätzchen, geht hin und wieder ins Auktionshaus, um sich was Schönes zu kaufen. Dabei levelt man fleißig nach oben und führt ein beschauliches und geordnetes Leben. DAS sind die neuen Realitäten. Ich weiß, wovon ich rede. Ich hatte in den Tagen völliger Einsamkeit und Stagnation genug Zeit, um mich mit der virtuellen Welt vertraut zu machen. Und soll ich Ihnen etwas verraten? Ich habe dort etwas gefunden, das deutlich geordneter und menschenwürdiger ist als das vielgepriesene
echte
Leben. Gut und Böse sind sauber definiert. Man trifft sich, verkloppt ein paar Monster, feiert Ostern, Weihnachten und Silvester im Kreise befreundeter Spieler und kann sogar heiraten. Und wenn einem einer auf den Sack geht, setzt man ihn auf die
Ignore
-Liste. Auch mit dem Sterben ist es kein Problem. Entweder man lässt sich wiederbeleben oder man erschafft gleich einen neuen Charakter. Ist das nicht herrlich?
Kein Wunder, dass so viele Kinder und Jugendliche den Bezug zur Realität verlieren. Sie haben in den Spielen etwas gefunden, was ihren Sehnsüchten und Bedürfnissen viel eher entspricht als das sogenannte
wirkliche
Leben mit seinen schlechten Noten, nervigen Eltern und maulenden Lehrern.
Der einzige Nachteil ist die veraltete Grafik. Verglichen mit der
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