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P. S. Ich töte dich

Titel: P. S. Ich töte dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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unterste Regal, wo sie die schmutzige Wäsche sammelte. Sie drehte sich zum Bett um, blieb stehen und starrte es an.
    Jeden Morgen stellte sie an der Kopfseite die Kissen hoch, wenn sie das Bett machte, so sah es ordentlicher aus. Jetzt lagen
     sie unter der Decke an der Wand.
    Sie riss das Telefonbuch aus der Nachttischschublade, die Gelben Seiten, und fand eine Firma für Sicherheitsschlösser, die rund um die Uhr erreichbar war.
    ◊
    Ich bin nicht Gott.
    Ich habe mich nicht selbst erschaffen. Hätte ich das, dann gäbe es nicht diese kleinen Zeichen mangelnder Perfektion, die mein Körper trotz allem aufweist. Das heißt, ich hätte vielleicht einen Schönheitsfleck erschaffen, um zu zeigen, dass die absolute Schönheit auf der Abwesenheit von Fehlern beruht. Da ist zum Beispiel dieser Hautfleck auf meinem Schädel, den ich von Geburt an trage. Manche würden ihn vielleicht als hässlich bezeichnen, als Stigma, das den Blick des Betrachters von meinem wohlproportionierten und gut ausgestatteten Körper ablenkt. Manche verstehen vielleicht nicht, warum ich ihn nicht entfernen lasse, was mit moderner Lasertechnik ein Kinderspiel wäre. Außerdem wären die Kosten bei meinen finanziellen Mitteln vollkommen unerheblich. Aber das werde ich nicht tun. Jedenfalls noch nicht. Das fast Perfekte übt eine zu große Faszination auf mich aus. Ich bin nicht Gott.
    Heute hätte sie mich fast in der Wohnung überrascht. Das hätte mich maßlos geärgert. So soll es nicht geschehen. Nicht in ihrer Wohnung. So viel Dreck, so viel Unordnung. Wenn es nicht nach dem Plan geschieht, den ich gerade fasse, kann es egal sein. Gott sei Dank hatte ich gerade einen Blick aus dem Fenster geworfen. Ich habe sie auf der Straße gesehen und konnte mich, ohne zu hetzen, auf den oberen Treppenabsatz zurückziehen. Im schummrigen Treppenhaus habe ich mich vorgebeugt und ihr zugesehen, wie sie nach dem Schlüssel tastete und ihre Wohnungstür aufschloss. Ich nehme an, dass sie froh war, in eine Wohnung zu kommen, die sehr viel wärmer war als zu dem Zeitpunkt, an dem ich sie betreten hatte. In der Nacht auf Heiligabend soll sie doch nicht frieren. Im Tagebuch, das ganz hinten in der Küchenschublade lag, habe ich gelesen, dass sie es hasst zu frieren. Dennoch schaltet sie die Heizung ab, ehe sie aus dem Haus geht.
    Jetzt kenne ich sie. Sicher besser als sie sich selbst. Das habe ich begriffen, als ich unter ihrer Decke lag und den Geruch wahrnahm, den ihr Körper in der Bettwäsche hinterlassen hatte. Der Gedanke an die Methode überwältigte mich. Jedes Detail konnte ich vor mir sehen, was ich tat, wie sie reagierte, protestierte und flehte, wie ihr Zorn sich in einem letzten Aufbäumen entlud, ehe sie resignierte und sich schließlich aufgab.
    Das Parfüm, das sie benutzt, ist für meinen Geschmack ein wenig zu dunkel und schwer, doch es passt zu ihrer Gemütslage. Meine eigene ist hell, leicht und unkompliziert, und genau deshalb wusste ich, als ich dort unter der Decke lag, dass ich mich richtig entschieden hatte. Was mir in gewisser Weise schon klarwurde, als ich sie zum ersten Mal gesehen hatte. Schon damals ergab sich, so wie in ihrer Wohnung, eine fast hundertprozentige Gelegenheit, mein Ziel zu erreichen, aber so bin ich nicht. Es geht mir nicht um das Ziel. Es geht mir nicht darum, zu töten, sondern darum, meinem Plan zu folgen, was auch die Möglichkeit mit einschließt, dass sie, trotz der Perfektion meines Plans, mit dem Leben davonkommt.
    Denn falls sie nicht an dem Ort erscheint, den ich ausgewählt habe, zu der Zeit, die immer noch offen ist, dann werde ich sie gehen lassen. Ihre Chancen stehen gar nicht mal schlecht. Vielleicht
60/40
zu ihren Gunsten. Mit anderen Worten: Ich bestimme die Regeln des Spiels, aber nicht seinen Ausgang. Ich bin nicht Gott.
    ◊
    Sie nahm das Handtuch, das über der Rückenlehne hing, und trocknete sich die Stirn. Auf dem Weg zur Sit-ups-Maschine warf sie einen Blick in den Spiegel. Ihr weinrotes Trikot hatte seine besten Tage bereits hinter sich; sie beschloss, ein neues zu kaufen. Der Mann, der aus dem Kraftraum gekommen war und sie nicht aus den Augen gelassen hatte, während sie ihre Brustmuskulatur trainierte, näherte sich ihr. Sie spürte, wie sein Blick ihren Rücken hinab bis zum Po wanderte. Sie hatte nichts dagegen, betrachtet zu werden, aber es gefiel ihr nicht, dass er an ihrer Maschine stehen blieb und sie ansprach, während sie ihre Übungen machte. Unter seinem engen T-Shirt zeichnete

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