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P. S. Ich töte dich

Titel: P. S. Ich töte dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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sie, »du musst vorsichtig sein.« Er will ihr die Bluse ausziehen. Die Knöpfe verfangen sich in ihrem Haar. Er spürt Ungeduld. Reißt. Sie schreit. Jähzorn steigt in ihm auf. Er sieht seinen Vater vor sich. Seine Mutter. »Halt’s Maul«, sagt Rick zu dem Mädchen und ballt die Fäuste. Sie schluchzt. »Hau ab, verdammte Heulsuse, los!«, herrscht er sie an, und als sie davonläuft, riecht er den Angstschweiß auf seinem T-Shirt. Er hat es nicht unter Kontrolle.
    Rick streifte den Pullover über den Kopf. »Hitze. Gestank
«
, stöhnte er und blickte in Oldtimers Gesicht. Der lächelte.
    Oldtimer bezahlt die Reparatur bar. »Gehn wir auf ein Bier?«, fragt er und zieht ein paar Hundertmarkscheine aus dem Geldbeutel. »Bist du schwul?«, antwortet Rick. Er wird nicht oft eingeladen. Oldtimer lächelt. »Witwer. Das wird mein dritter Winter ohne sie.« – »Okay, lass uns gehen.« Rick schließt das Rolltor. Oldtimer bestellt ihnen Sechskornbier und Schnaps. Beim nächsten Treffen schiebt er zwei Eintrittskarten für das Eishockeyspiel Augsburger Panther gegen Kölner Haie über den Tisch. Oldtimers Gesicht kommt Rick vage vertraut vor.
    Schweiß trat auf Ricks Stirn, sein Atem ging schwer. »Du hattest … alles geplant«, stammelte er und fragte sich, ob seine bleischweren Worte den Weg durch seine Kehle nach draußen fanden, durch die bunten Schlieren bis zu Oldtimer drangen. Warum war die Luft nur so stickig? »Du wolltest … Rache!« Rick lauschte nach dem Klang seiner eigenen Stimme. Nichts. Nur diese unendlich langsamen Atemzüge.
    Nach dem Eishockeyspiel fläzt er auf Oldtimers Couch. Vor ihm steht eine Bierdose, daneben ein Schachbrett. Vergilbte Tapeten. In einer Ecke ausgetretene Laufschuhe. Eine verstaubte Plattensammlung. Die Heizung ist kalt. »Du lebst ja wie auf dem Friedhof«, grient Rick. »Wie ein Halbtoter.« Oldtimer sieht ihn wortlos an. »Sorry«, sagt Rick und fragt nach einer Pause: »Mit wem spielst du überhaupt?« – »Mit meiner Frau«, antwortet Oldtimer. »Fuck«, sagt Rick. »Spielen wir?«, fragt Oldtimer und setzt sich in den Sessel gegenüber. Rick zuckt mit den Schultern und trinkt. »Warum lässt sich ein Autoschrauber einen Schmetterling tätowieren?«, fragt Oldtimer später. »Der Scheiße entschwirren«, antwortet Rick und denkt: Träumen nachjagen, die nie wahr werden können.
    Er sieht Nadine vor sich. Seinen zweiten Schmetterling. »Du bist so grob«, hatte sie nach drei Wochen gesagt und angefangen zu flennen. Er hatte sie rausgeschmissen, seine Faust in den Schrank krachen lassen. Er sieht Julia. Heike. Ihre Verletzungen. Seine Tränen.
    Rick zieht den weißen Läufer nach D
6
.
    Es steckt in ihm! Kein Entkommen. Er wird nie einen Schmetterling besitzen. Wird immer Flügel brechen müssen. Wie sein Vater.
    Ricks Herz schlug schwer und langsam wie bleierne Riesenschwingen. »Ich habe es nicht anders gelernt
.
«
    Oldtimer antwortete nicht.
    Oldtimer starrt auf das Spielbrett. »Lass uns eine Schneetour machen«, sagt er und setzt die schwarze Dame auf G
6
. »Oben, am Eissee.« – »Wenn du meinst«, sagt Rick und deckt seinen Läufer mit einem Bauern. »Wie ist sie eigentlich gestorben?«, fragt er den Älteren. »Karin wurde ermordet«, sagt Oldtimer und schlägt Ricks Turm.
    Das Kreischen eines Raubvogels schnitt durch seinen Schädel. Sein Kopf zersplitterte, und aus seinen Lungen quälte sich ein Schrei.
    »Mein Turm!«, sagt Rick und glaubt, sein Gehirn explodiert. Er starrt Oldtimer an. Stechender Blick. Glatte Wangen. Alte Bilder blitzen auf: dunkle Augenringe. Bartstoppeln. Der Mann im Gerichtssaal! Oldtimer ist der Ehemann dieser toten Schlampe! Rick sieht ihn mit dem zerbeulten Golf vor der Werkstatt aufkreuzen. »Genau nach Ihnen habe ich gesucht«, hatte Oldtimer gesagt. Oldtimer ist als Rächer gekommen! Ricks Fingernägel bohren sich tief in seine Handflächen.
    Er brannte lichterloh. War eine Fackel, seine Haut warf dicke Blasen! Er wälzte sich auf dem Boden. »Nein!« In den Bergen verfing sich leise sein Heulen.
    Er kriecht in der alten Karre durch die Straßen. Sein Arsch klebt auf dem Plastikpolster. Verdammter Brutkasten. Er kurbelt das Fenster herunter. Das Leben kotzt ihn an. Keine Freundin. Immer Druck in der Hose. Und die Werkstatt ein Pleiteladen. An der Ausfallstraße steht ein roter Mini. Der Kühler qualmt. Die Frau winkt. Sie trägt ein zitronengelbes Kleid, der Rock bewegt sich sanft im Wind. Er schluckt. Nicht anhalten, befiehlt

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