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P. S. Ich töte dich

Titel: P. S. Ich töte dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Seite gefallen, lag wie ein Embryo und brabbelte vor sich hin. Dann drehte er sich schwerfällig im Schnee, schälte sich umständlich aus seinem Anorak und stieß hohle, lachende Laute aus.
    Simon Wolf prüfte die Luft. Die Temperatur war weiter gefallen. Er steckte sich eine neue Roth-Händle an. Der Tabak duftete würzig. Zwischen acht und zehn Grad minus.
Diese
s Spiel würde
er
gewinnen.
    ◊
    Rick genoss die Wärme, die ihn langsam durchströmte, die seine Lebensgeister zum Schnurren brachte wie einen Motor, der nach einem langen Winter wieder gestartet wurde. Sein Herzschlag war ruhiger geworden, und die beißende Qual hatte sich in ein leichtes Kribbeln verwandelt.
    Nur ausruhen, ein kleines bisschen ausruhen, sagte er sich. Dann würde er Gas geben. Aufdrehen. Oldtimer gegen die Wand fahren. Er hätte es sofort tun sollen.
    Ricks Glieder wurden schwer.
    Dieser Bastard!, brannte der Zorn in ihm.
    Oldtimer spielte gut. Aber Rick zockte besser!
    Zufrieden streckte er sich aus, schloss die Augen, vernahm gedämpft ein Klicken. Der Geruch von Zigarettentabak erfüllte die Luft, sog ihn mit sich fort, ein warmer Strom, er saß auf Schmetterlingsflügeln, sie trugen ihn am Schilf entlang, schnell, immer schneller, hinauf in die Luft, die Berggipfel rasten an ihm vorbei, der Mond, die Sterne. Er jauchzte.
    Mama
lässt den Schmetterling vor ihm tanzen. Die dünnen gelben Holzflügel hängen an Schnüren herab. Sie lachen. Dann kracht die Tür des Kinderzimmers gegen die Wand. Papa steht keuchend im Türrahmen. Aus seinem Mund hängt eine Kippe. Er stinkt. Im Nebenzimmer plärrt der Fernseher. »Wo ist deine Schlampe von Mutter?« Ricki drückt sich gegen die Wand. Papa reißt ihn an den Haaren hoch. Die Flügel splittern laut. Mama kriecht hinter der großen blauen Kiste mit den Bauklötzen hervor. »Tu ihm nichts!« Ricki presst die Hände auf seine Ohren. Vergräbt sein Gesicht in dem Kissen. Drei Tage ist die Mama ganz still. Sie sieht bunt aus, erst blau, dann violett und grün und zum Schluss gelb. Wenn sie ihn zu trösten versucht, flattert ihre Unterlippe. Wie Schmetterlingsflügel.
    Irgendwo krachte es im Geäst. Es klang scharf an Ricks Ohr.
    Nicht aufwecken!, flehte er im Stillen. Nur noch eine Weile. Nur eine Minute.
    »Fängst du Schmetterlinge mit mir?«, fragt er seinen Papa. Ein Kronenkorken fällt auf den Linoleumboden. »Heb auf«, lallt Papa und stößt ihn vor seine Füße. »Sonst muss ich die Schlampe holen.« Die kleinen Finger klauben den Müll auf. Aus den Augenwinkeln sieht er die haarigen Beine aus der Cordhose ragen. Er stellt sich vor, wie es zischt, wenn er mit dem Feuerzeug daran entlangfährt.
    Hart stieß etwas gegen seinen Kiefer. Sein Kopf glitt auf die Seite, doch sein Gehirn kam nicht hinterher. Träge, so träge. »Bitte, nein, Papa«, flehte er. »Ich bin so müde.« Er drückte ein Augenlid auf. Blickte auf einen Stiefel. Fuck, dachte er, ich sehe Gespenster. Es ist ja Oldtimer! Lass mich schlafen, Alter. Ich bin im Arsch.
    Vor dem Rolltor hält stotternd ein zerbeulter Golf. Rick tritt vor die Werkstatt. Ein Mann Mitte fünfzig mit glattrasierten Wangen steigt aus, hebt verlegen die Schultern. »Da ist mich einer bös angegangen.« Rick geht um den Wagen herum. Öl tropft auf den Boden. »Da ist nicht mehr viel zu machen«, sagt er zu dem Mann. »Ich habe so einen langen Weg hinter mir bis zu Ihnen«, sagt der Alte. Rick fährt den Golf in die Garage. Schraubt. Der Mann sieht zu. Rick wirft den Schweißbrenner an. Die blaue Flamme leckt fauchend über das Chassis. »Junge, Junge, Sie wissen ja, wie Sie die Dinge anpacken müssen«, sagt der Mann, »genau nach Ihnen habe ich gesucht.« Rick lacht. Er mag den Typen. Er liebt schicke Oldtimer.
    Eine neue Wärmewelle schwappte durch seine Adern. Rick drehte sich auf die Seite, versuchte, die Hände unter den Kopf zu schieben, so wie er es als Kind immer getan hatte beim Einschlafen. Doch die Hitze lähmte seine Muskeln und seinen Atem, und das flimmernde Licht blendete ihn. Natürlich! Es war ja Hochsommer! Er musste sein Schmetterlingsnetz holen und auf die Wiese laufen! Endlich draußen jagen.
    Er setzte sich auf wie in Zeitlupe, musste all seine Kraft zusammennehmen. Als er um sich blickte, konnte er es ganz klar erkennen: das satte Grün! Die Sonne, das Flirren und sein erstes Mädchen – den ersten Schmetterling, den er gefangen hat.
    Ihr Rock streift über die süßlich duftenden Blumen. »Es ist mein erstes Mal«, sagt

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