P. S. Ich töte dich
oder am Samstag steigt vielleicht noch ’ne Party mit den Kumpels. Ich bin ja noch jung, da kann man an den Wochenenden ruhig mal einen draufmachen, finde ich. Aber süchtig bin ich nicht. Hab das Ganze im Griff. Weiß sozusagen selber, wann es reicht.
Kevin laberte rum wie immer, hatte aber irgendwie den Faden verloren. Er hörte ’n paarmal plötzlich auf zu quatschen – saß einfach nur mit offenem Mund da und starrte vor sich hin. Wahrscheinlich hatte er ’n bisschen
zu
viel intus.
Saman hatte ’n paar Bräute ins Visier genommen, die an der Bar standen, und war hingegangen, um sie auf ’nen Drink einzuladen.
Victor und ich hielten die Stellung – Chorizo sollte heute Abend nicht nüchtern nach Hause kommen. Also, missverstehen Sie mich nicht falsch – es war nicht so, dass wir vorhatten, ihm ’nen Blackout zu verpassen; wir wollten nur, dass er Spaß hat.
Plötzlich sagte Kevin: »Seht mal da hinten, an der Garderobe!«
Wir drehten uns um und sahen den Dreikäsehoch dort stehen. Er hatte sein Nintendo-Spiel weggelegt und wirkte nervös. Dann kapierten wir, was Kevin meinte. Vor der Garderobe standen zwei riesenhafte Hünen. Sie hatten uns den Rücken zugedreht, aber wir wussten trotzdem, was es für Typen waren. Lederjacken, dunkle Jeans. Schultern, die so breit waren wie der Kühlergrill eines Audi Q 7. Der eine hielt eine Metallkiste in der Hand. In seinen Gorillahänden sah sie total winzig aus. Ich glaube, dass es die Kasse des Garderobentypen war. Der Riese zählte die abgegriffenen Scheine.
Chorizo zischte durch die Zähne: »Garderobenmafia. Shit, ich hab sie noch nie zuvor
in action
gesehen.« Dann fing Kevin an, von etwas anderem zu reden. Aber ich konnte den Blick nicht von diesen Riesen abwenden. Starrte zu ihnen rüber. Sah, wie der eine hinter den Garderobentresen ging und mit der Hand über die Jacken strich, die inzwischen dort hingen.
Ich sah alle Winterjacken – über eine nach der anderen ließ der Riese seine Hand gleiten. Es sah aus, als befühlte er sie. Fjällräven, Canada Goose, North Face, Moncler. Es waren hochwertige Jacken – keiner wollte, dass er nachts in besoffenem Zustand steifgefroren in einer Schneewehe endete.
Ich sah, wie der Typ etwas zum Garderobenfritzen sagte.
Ich sah den Blick des Garderobenzwergs.
Er wirkte nicht gerade entspannt, das war klar.
Sie unterhielten sich kurz.
Dann gingen sie wieder raus.
Eine Stunde später war es Zeit für die Geschenkübergabe. Die Sache ist die, dass Chorizo Tattoos liebt, es sich aber nicht leisten kann, sich eins stechen zu lassen. Wir hatten ihm einen Gutschein für den Besuch eines Tattoo-Studios gekauft, East Street Tattoos – das ist das beste in Stockholm. »Tausend Kronen für ein Motiv seiner Wahl außer japanische Schriftzeichen oder Namen von Bräuten«, stand auf der Karte. Wir fanden japanische Schriftzeichen das Schwulste, was man überhaupt tragen konnte. Und Namen von Bräuten sind so was von idiotisch – man wird ja sowieso früher oder später wieder verlassen.
Chorizo hat sich tierisch gefreut. Er hat uns versprochen, sich noch vor März ein Tattoo auf den Rücken machen zu lassen. Wir haben versucht, »Hoch soll er leben« zu singen, aber Kevin ist mal wieder ausgeflippt und hat stattdessen »Viel soll er saufen« gebrüllt. Es wurde ein wenig peinlich, und ein Türsteher kam an unseren Tisch und signalisierte uns, wir sollten leiser sein.
In dem Moment war ich ganz schön sauer auf Kevin. Heute war Chorizos Geburtstag, und den sollte nicht irgendein Idiot, der keinen Alkohol vertrug, kaputtmachen. Ich stand auf.
Ich ging zur Garderobe. Der Garderobenjunge ließ sich ziemlich viel Zeit, meine Jacke zu holen. Ich hatte den Eindruck, dass er nicht wusste, wo sie hing. Schließlich legte er sie auf den Tresen.
»Ich geh noch nicht«, sagte ich. »Will nur ’ne Fluppe rauchen.«
Er nickte, kapierte, dass ich die Garderobenmarke behalten wollte. Ich ging raus.
Es war immer noch genauso kalt. Ich kramte die Zigarettenschachtel aus der Brusttasche. Ich musste mich ein wenig beruhigen, wieder runterkommen. Fingerte nach dem Feuerzeug in der rechten Außentasche. Und während ich nach ihm suchte, spürte ich
das da
.
Es war aus Plastik. Ich zog die Hand wieder raus. Suchte in einer anderen Tasche nach dem Feuerzeug. Fand es und zündete die Zigarette an. Dann griff ich erneut in die rechte Tasche. Es fühlte sich wie eine Plastiktüte an.
Ich kam mir vor wie ein Schornstein –
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