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P., Thomas

P., Thomas

Titel: P., Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Rache Engel
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verabschieden wollte, drehte sich
einer plötzlich und unvermittelt um und schlug mir mit der Faust mitten ins
Gesicht. Ich war überrascht und erschrocken, als ich da am Boden lag, aber vor
allem war ich so richtig angepisst. Und in kürzester Zeit brannten mir gepflegt
sämtliche Sicherungen durch. Ohne lange nachzudenken, war ich blitzschnell
wieder auf den Beinen, Schlagstock raus, und dann ging es auch schon los.
    Ich war wie im Rausch, habe zugeschlagen, eingedroschen
und zugetreten - immer und immer wieder. Ich konnte
nicht mehr aufhören. Der Schlagstock flog mir zwischendurch sogar aus der Hand,
und als einer dieser Typen über den am Boden liegenden Schlagstock stieg, war
mein erster Gedanke, dass der Vogel sich bestimmt den Stock holen wollte. Ich
stürzte mich auf den Typen, trat ihm mit Wucht ins Gesicht und prügelte ihn
ohne Rücksicht auf Verluste einfach weg. Erst als mein Kollege mich wegzog und
mit dünner Stimme flüsterte: »Es reicht! Es reicht!«, ließ ich ab, und der
rasende Furor war abrupt gestoppt. Und erst in diesem Augenblick merkte ich,
dass um uns schon eine Riesentraube von Leuten stand. Ich sah ängstliche,
fassungslose Gesichter. Ein Krankenwagen kam und einer dieser Kerle wurde mit
Schädelbasisbruch abtransportiert. Ich hätte mich am liebsten davongemacht,
aber da ich unsere Uniform trug, ging das leider nicht so einfach. Mit ein
Grund, weshalb ich später lieber in Zivil arbeitete. Da konnte man pöbelnde
Gäste platt hauen und dann einfach gepflegt verschwinden, bevor die Polizei
kam.
    Drei Schwerverletzte, während ich nur einen Cut an der
Lippe hatte? Die Notwehrgeschichte würde kompliziert werden. Die Polizei ging
zunächst einmal davon aus, dass ich Schuld an der Sache trug. Nach ewigen
Schriftwechseln zwischen unseren Anwälten und der Staatsanwaltschaft wurde ich
mit der Anklage auf »gefährliche Körperverletzung« vor einen Richter gestellt
- und zum Glück nicht verurteilt. Der Sache mit der Notwehr wurde Glauben
geschenkt - in diesem Fall letztlich auch
völlig zu Recht -, und ich hatte für mich fortan quasi einen Freifahrschein für
meine wachsenden Gewaltphantasien. Die Sachlage in diesem Fall war deutlich:
vier Typen mit Pranken so groß wie Klodeckel und zwei Türsteher. Natürlich
hatte ich eine Nahkampfausbildung, aber vier betrunkene und randalierende
Gäste, die auf die Security losgingen, durften nicht darauf hoffen, vor Gericht
als Opfer betrachtet zu werden. Gut für uns, was das Strafrecht anbelangte.
Zivilrechtlich allerdings verlor ich diesen Prozess und musste jede einzelne
Paracetamol bezahlen, die diese Typen genommen haben. Wenn sie sich von der
Kohle nicht neue Alufelgen für ihre beschissenen Golfs gekauft haben.
    In zwei Jahren kassierte ich an die 70 Anzeigen wegen
Körperverletzung oder gar gefährlicher Körperverletzung. Und immer beruflich.
Privat habe ich mich nicht geprügelt, da ich zu jener Zeit auch kaum einmal
ausgegangen bin. Anfangs besuchte ich gelegentlich mal eine Kneipe, aber wenn
dann irgendwo auch nur ein Glas herunterfiel, wurde ich schon nervös und
dachte, ich müsste eingreifen. Wenn ich abends wegging, setzte ich mich immer
mit dem Rücken zur Wand — was ich aus ganz anderen Gründen auch heute noch tue,
aber dazu kommen wir ja später noch. Ich hatte damals schon immer gerne alles
im Blick. Das war wohl die paranoide Haut, die ich nicht mehr ablegen konnte
und die mir heute hilft, wenn ich einmal draußen unterwegs bin.
    Alle Verfahren wurden eingestellt. Immer. Und in den
Begründungen war stets von Notwehr die Rede. Mein Zauberwort. Darauf hatte ich
im Lauf der Jahre immer penibel geachtet. Den Notwehrparagrafen kannte ich
längst auswendig, und Notwehr war es schon, wenn mich jemand auch nur an der
Brust berührte...
    Mein Problem war schon zu jener Zeit, dass ich nicht damit
umgehen konnte, wenn mich einer nur ein wenig zu lang oder zu provokant
anschaute. In solchen Fällen musste ich sofort handeln, sonst hätte ich nachts
nicht schlafen können. Wenn ich jemandem die Tür aufhielt und der bedankte
sich nicht, hatte ich das früher in mich hineingefressen und konnte tagelang
nicht einschlafen. Oder wäre am liebsten sofort zurückgefahren, um den Typen
zu stellen. Heute sage ich gleich: »Kannst du nicht Danke sagen, Arschloch?«
Und dann ist das Problem entweder erledigt. Oder es gibt ein neues — je nachdem,
wie die Reaktion des anderen ausfällt. Aber auch das löse ich sofort.
Allerdings bin ich nicht mehr

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