P., Thomas
wurden,
wenn es um den ordentlichen Ablauf eines Kindergeburtstages ging. Nein, wir
wurden zu den Läden geschickt, wo es wirklich krachte und wo Randale an der
Tagesordnung war. Einer dieser Schuppen war eine Diskothek in Leer, in der das
Publikum zu 85 Prozent aus Russen bestand — der Rest waren Albaner und
Libanesen. Der Laden öffnete um neun Uhr abends, und spätestens um halb zehn
flogen schon die Fetzen. Eine wunderbare Spielwiese mit Trainingslagercharakter
für junge Sicherheitskräfte, wie ich eine war. Zusätzlich war ich auch noch bei
Bundesligaspielen von Werder Bremen im Weserstadion regelmäßig im Einsatz und
als Personenschützer für Promis wie Mark 'Oh, Marius Müller-Westernhagen oder
Marusha tätig.
Mein Schlüsselerlebnis im Umgang mit körperlicher Härte
hatte ich jedoch schon an meinem ersten Arbeitstag. Während ich mich in meiner
Kindheit und Jugend regelmäßig duldsam vermöbeln ließ, änderte sich meine Leidensfähigkeit
zunächst bei der Bundeswehr und später als Bodyguard radikal. An meinem ersten
Arbeitstag also war ich in einer Rockerdisco in Norden eingeteilt. Es gab
natürlich gleich Stress, und ich bekam weiche Knie, als ein Brocken in
Lederweste auf mich zugestampft kam und ganz und gar nicht freundlich schaute.
Ich hatte nicht viele Optionen. Allerdings: Weglaufen war keine. Also machte
ich kurzen Prozess und drosch ihm mit dem Schlagstock voll eins auf die Zwölf.
Nicht besonders hart, aber sehr gezielt. Der Typ sackte mit einem Mal in sich
zusammen, zitterte am ganzen Körper und blutete wie ein Schwein.
Gut, der Kerl hatte mich angegriffen oder zumindest doch
bedroht, und deshalb fand ich meine Reaktion auch durchaus legitim. Man musste
sich nicht erst schlagen lassen, bevor man sich wehrte. All das war mir in
diesem Moment klar geworden. Und dann spürte ich ein merkwürdiges Gefühl in mir
aufkommen. Wie ich den Typen so daliegen sah, dachte ich eigentlich nur: »Geil,
das tut mir gar nicht weh. Das tut nur ihm weh. Und das ist auch besser so.«
Mein Leben hatte sich mit diesem einen Schlag total verändert.
Alles, was bisher war, zählte nun nicht mehr. Fortan galt
für mich nur noch ein Motto:
Erst schlagen, dann fragen. Zumindest in Situationen wie
diesen...
3.
Mit meiner neuen Devise führ ich bestens. Ich warf mich in
Massenschlägereien oder in Messerstechereien, ohne irgendetwas nachzufragen.
Erst handeln, dann diskutieren. Erst eins auf die Zwölf und dann erklären,
warum dem so war! Eine herrliche Art, Probleme zu lösen, die mir bis dahin
leider verschlossen geblieben war und die mir wenig später noch eine Genugtuung
der ganz besonderen Art verschaffen sollte.
In Aurich gab es eine Disco in einem Einkaufszentrum, in
der auch viele Linke und Autonome verkehrten. Dort machten wir die Tür und
sorgten auch drinnen für Ruhe. Und ich erhielt endlich die Gelegenheit, ein
wenig Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. Nach und nach bekam ich alle vor
meinen Schlagstock, die mich als Jugendlicher angepöbelt, verhöhnt und
verprügelt hatten. Speziell die vier, die mich vor der Haustür so brutal mit
einem Baseballschläger kaputt geschlagen hatten. Alle vier Helden konnte ich
in meiner Eigenschaft als Sicherheitsbeauftragter rechtmäßig zusammenschlagen.
Großartig. Nur einen nicht, aber der hatte seine Strafe anderweitig bekommen.
Er hatte einen Autounfall und saß seit dieser Sache körperlich und geistig
behindert in einem Rollstuhl. Die Strafe Gottes trifft eben irgendwann
jeden...
Natürlich konnte es bei unserer Auslegung des Tür- und
Sicherheitsdienstes nicht ausbleiben, dass man es auch mal mit der Polizei oder
der Justiz zu tun bekam. Gerade nachdem ich einen Anfängerfehler gemacht und
den Sicherheitsabstand nicht eingehalten hatte, als wir vier Besoffene aus
einer Disco, die sich im Obergeschoss eines Kaufhauses befand, nach draußen zu
bringen hatten. Ich war leichtsinnig geworden, weil die vier Männer eigentlich
ganz nett wirkten. Das waren auch keine Bubis mehr, die nichts vertrugen,
sondern gestandene Kerle um die 30, die uns auf dem Weg nach unten noch brav
erzählten, dass sie gerade in Emden bei VW arbeiteten. Ich packte die Kerle in
den Lift, während mein Kollege und ich die Treppen runterrannten, um nicht in
eine prekäre Situation auf zwei Quadratmetern in einer Fahrstuhlkabine zu
geraten. Unten angekommen, brachten wir die Herren noch zur Tür - ohne zu
ahnen, was gleich auf uns zukommen würde.
Als ich die Jungs gerade
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