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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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Königsjodlör aussi?« Fragte er mich ernsthaft, ob die Neuenthaler Feuerwehrkapelle einen Königsjodler beherrschte? Woher sollte ich das wissen? Ich wusste noch nicht einmal genau, wie ein Königsjodler klang. Aber ich kannte solche Fragen von Touristen, vermutlich würde er mich gleich nach einer Kuckucksuhr und dem Oktoberfest fragen, ungeachtet der Tatsache, dass es Kuckucksuhren nur im Schwarzwald gab, und das nächste bayerische Fest, das Touristen anzog, der Pfingstmarkt war. Am besten, ich zeigte ihm gleich, wo er Lodenhüte und Lederhosen kaufen konnte. In meinem etwas eingerosteten Französisch – wir hatten es bei Ausländern am häufigsten mit Asiaten zu tun, weshalb mein Pidginenglisch inzwischen ausgezeichnet war – erklärte ich ihm, dass dort drüben un Lodenmodenladen sei, aber er solle besser nicht bei Rot über die Ampel …
    »Ah oui, oui, je sais! Le feu rouge, oui oui!« Er deutete auf die Ampel, schüttelte den Kopf und lachte in sich hinein. Dann wurde er wieder ernst, zeigte auf Thereses Laden.
    »Et là-bas, c’est Lodönmodön? Chez Thérèse?«
    Ich nickte. »Trachten. La Dirndl. Le Lederhosn. Comme c’est à l’Oktoberfest. Vous …«
    »Ecoutez!«, unterbrach er mich aufgeregt, ergriff meinen Ellbogen, deutete mit dem Kinn Richtung Feuerwehrkneipe. Aus dem gestampften Dreivierteltakt der Kapelle hob sich etwas kläglich eine Tubamelodie, die mir vage bekannt vorkam. Und jetzt erst sah ich das Plakat von Therese an der Tür, das neue Plakat, von dem sie gestern so stolz erzählt hatte: eine Art scheußlicher Scherenschnitt, eine Frau, die durch die Luft flog, Busen voran, fehlte nur noch der Besen, und es hätte sich um die erste Hexe der Welt oder zumindest Bayerns gehandelt, die einen Cowboyhut trug. Was würde passieren, wenn Timos Eltern dieses peinliche Plakat …
    In diesem Moment fiel mir wieder Goldflossy und damit mein gesamtes Elend ein, und durch den Schleier meiner aufsteigenden Tränen sah ich, wie Fredl Weidinger von seinem Motorrad stieg, es aufbockte und zu uns herüberkam. Anderls klägliche Melodie brach ab, von drinnen erregtes Stimmengewirr, dann setzte er neu an, und Fredls Hand fiel schwer auf die Schulter des Franzosen.
    »Hams jetza Ihren Ausweis dabei? Hams überhaupt a Aufenthaltsgenehmigung?«
    Der Franzose schaute von Fredl zu mir, fragend. Auch wenn mir nicht danach zumute war, ich musste ihm helfen. Ich schluckte, hob das Kinn und trat der polizeilichen Autorität entgegen.
    »Herr Weidinger, ein Urlauber braucht keine Aufenthaltsgenehmigung.«
    Der Mann hatte sich unter Fredls Griff weggeduckt und redete auf mich ein, in schnellem Französisch. Anscheinend war er wie alle Franzosen, die ich bisher im meinem Job kennengelernt hatte, davon überzeugt, man verstehe alles, sobald man nur ein paar Worte radebrechte. Zaghaft versuchte ich zu übersetzen:
    »Er … er sagt, er interessiert sich für Musik …«
    »Des is jo koa Wunder, er macht ja aa die Filmmusik zu dem Schweinkram do! Und dazu braucht er a Aufenthaltsgenehmigung!«
    Der Mann redete weiter, was sagte er da, er sei Forscher? Musikforscher? Vielleicht Musikwissenschaftler?
    »Er … er ist in einem Auftrag unterwegs, er erforscht die Musik der …«
    »Des sog i doch, er hat an Auftrag für die Sauerei do, die dreckerte, wo’s die Wogen in da Waschschüssel machen …«
    »Wogen? Waschschüssel?«
    »Geh, frag die Toni, a Pornofilm is des! In da Pension von deiner Mutter! Und des lass i ned zu, hosd mi?«
    »’Ost mi? Qu’est-ce que c’est?« Der Franzose sah mich an, die Musik in der Feuerwehrkneipe verstummte, und ich war mit meinem Latein ebenfalls am Ende. Oder vielmehr mit meinem Französisch. Wie sollte ich »hosd mi« übersetzen? Avez-vous moi? Haben Sie mich? Soweit ich wusste, duzten Franzosen keine Fremden. Was sie wohltuend von Fredl Weidinger unterschied. Aber ich brachte sowieso kein Wort heraus, meine Kehle war zugeschnürt.
    Was war jetzt wieder los? Hatte Fredl wirklich gesagt, in Thereses Pension würde ein Pornofilm gedreht? Und hatte etwa mein Vater auch damit zu tun? Gestern Abend hatten sie von einer Kamera geredet, aber davon wollte ich lieber nichts wissen, ich wollte gar nichts mehr wissen, wollte mich nur noch verkriechen und mich meinem Elend hingeben. Eine Träne rollte mir über die Wange, und verschwommen sah ich, wie der Franzose jemandem zuwinkte, einem Paar auf der anderen Straßenseite. Sie redeten in schnellem Französisch miteinander, lachten und riefen

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