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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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Stück Schokolade?«
    Er schob mich sanft zu einem Stein, wir setzten uns, und Cedric öffnete den Reißverschluss seiner Umhängetasche.
    »Hab ich immer dabei.« Er zog eine Tafel Schweizer Schokolade heraus. »Für Fälle plötzlichen Heimwehs und schlimmster Sehnsucht.«
    »Nach … deiner Freundin?«
    Er schaute einen Moment auf den See hinaus, dann sah er mich an und nickte. Mit einem Lächeln, so sehnsüchtig, dass es weh tat. Sollte ich fragen, ob er ein Bild von ihr hatte? Aber wollte ich es sehen? Wollte ich sehen, wie hübsch sie war, mit langen, glatten Haaren, einer Elfenfigur, betörendem Lächeln, den Maßen, die ich Özcan vorsorglich angegeben hatte, und dazu drei Doktortiteln? Und einem Bergführerabzeichen? Warum fragte ich nicht lieber, aus welcher Stadt in der Schweiz er kam? Ob er Ski fuhr, Raclette liebte, ein Taschenmesser und einen Lawinenhund besaß, eben all das, was man von einem Schweizer erwartete? Cedric stieß mich sanft an, hielt mir einen Riegel Sehnsuchtsschokolade hin. Ich aß. Den nächsten Riegel ebenfalls. Und noch einen. Auch den letzten, seinen, den er mir abtrat: Wie es aussehe, hätte ich die Schokolade nötiger als er.
    Vermutlich stimmte es. Niemand schien mich zu vermissen, niemand suchte nach mir. Nach und nach verstummten die Vögel. Locker bestreut war der Himmel mit Sternen, schwarz wurde der See. Wir redeten nicht mehr über meinen Kummer, sondern über Neuenthal, meinen Job als Fremdenführerin, Cedrics Job als Sekretär von Delphine, als freier Lektor und Übersetzer. Ein Dreiviertelmond spendete eine silbrig schimmernde Bahn, und ein Schwanenpaar – natürlich ein Paar, was sonst! – schwamm auf den Mondstrahl zu, Körper und Füße noch im Schwarz, paddelnd, Köpfe und Schnäbel schon im Glitzern einer glänzenden Schwanenzukunft.
    »Ein schönes Wort«, sagte Cedric. »Schwanenzukunft. Es klingt … blau.«
    Er zog ein Heft aus seiner Tasche. Es war klein, mit festem Pappeinband, es sah beinahe aus wie das Heft, das ich benutzte, um kostbare Wörter zu notieren.
    »Darf ich’s aufschreiben?« Belämmert nickte ich und sah zu, wie er Schwanenzukunft aufschrieb, sorgfältig, unter eine Reihe anderer, anscheinend hastig hingekritzelter Wörter, die ich nicht entziffern konnte.
    »Danke. Ich träume manchmal Wörter. Im Traum haben sie Farben. Und manchmal benutze ich sie dann in einem Gedicht. Und du?« Er klappte sein Heft wieder zu, sah mich an, lächelnd, und einen Moment fragte ich mich, ob er seine Brille abnahm, wenn er seine Freundin küsste.
    »Ich … ich muss gehen. Meine Schwiegereltern sind zu Besuch.«
    Ich schrieb das Wort erst später auf. Zu Hause. Timo schlief, im Wohnzimmer. Aus unserem Schlafzimmer hörte ich seinen Vater schnarchen. Durchs offene Fenster Blütenduft, das heisere Quaken liebestoller Frösche, und plötzlich war ich froh, zu wissen, dass gar nicht weit entfernt jemand auf einem Stein saß und auch beinahe umkam vor Heimweh und Sehnsucht. Ein absurder Gedanke. Wonach sollte ich Heimweh haben? Ich nahm mein Heft mit in die Küche, nachdem ich eine Stunde vergeblich versucht hatte, einzuschlafen, schrieb ein vorsichtiges, gedrängtes Schwanenzukunft hinein und gab mich meiner Ihajefloh-Geschichte hin.
    Am nächsten Tag reisten Timos Eltern ab, ohne noch einmal Fischfilets oder Strapse zu erwähnen, und wir fuhren zum Mohnauer Bäcker, um die Verzierungen der Hochzeitstorte zu besprechen. Auf dem Weg zum Parkplatz trafen wir Cedric und Delphine de Brulée, wir unterhielten uns eine Weile über Hochzeitstorten, und aus irgendeinem Grund vermied ich es, Cedrics Blick zu erwidern. Den ich auf mir zu spüren glaubte. Vielleicht fragte er sich, wie ich imstande gewesen war, in kürzester Zeit mehr als die Hälfte der Schweizer Schokolade zu essen. Oder ich bildete mir alles nur ein. Auf der Rückfahrt legte Timo eine Hand auf die Rückenlehne meines Sitzes, zauste mein Haar und sagte, die Idee mit dem erotischen Kalender sei wirklich süß. Zu Hause zogen wir die Schublade noch einmal auf, vermieden die Strapse und die Fischfilets und betrachteten das Bild aus unserem ersten Urlaub, auf dem ich mich auf dem Zeltplatz umzog. Wir lachten, schwelgten in Erinnerungen. Vor allem an das gemeinsame Schnorcheln im Meer. Timo küsste mich auf die Wange. Sonst passierte nichts. Am Nachmittag erwischte ich Timo wieder vor der geöffneten Seite des Kampffischforums. kampffischmännchen verkriecht sich in blumentopf, was tun? von kampffischfreak82,

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