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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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redeten wir nicht mehr viel. Kein schwarzes Loch tat sich auf und verschlang die Erde als kleinen Gaumenkitzler, bevor es sich als Hauptspeise ein paar Sonnensysteme und als Nachtisch ein Milky Way einverleibte. Noch nicht einmal ein winziger Alien quabbelte durch die Küchentür und lenkte die Flantschschen Blicke von dem Lavendel-Cover und meiner Zauberflötenpoesie ab. Es passierte einfach nichts.
    Ich hob das Schlemmerfilet und die Strapse auf, murmelte irgendetwas von »Ooops, falsches Fach erwischt, die Mückenlarven sind doch hier, Spatzl«. Damit zog ich die richtige Schublade auf, stellte gleichzeitig beim universalen Amt für die Rückholung peinlicher, im falschen Zusammenhang ausgesprochener Wörter einen sofortigen Löschantrag für »ooops« und »Spatzl«. Und flüchtete unter dem fadenscheinigen Vorwand, meine Mutter habe etwas vergessen, aus der Wohnung.
    Panisch rannte ich über den Uferweg, ohne zu wissen, wohin. Und wäre beinahe in Cedric hineingerannt. Wie begrüßte man jemanden, den man kaum kannte, wenn man gerade in Tränen aufgelöst war? Ich schluchzte ihm ein Hallo entgegen und wollte an ihm vorbeilaufen. Aber er machte kehrt und hielt mit mir Schritt. Nebeneinander trabten wir die alte Uferstraße entlang, die Nordic-Walking-Strecke der Touristen. Tatsächlich waren noch einige walkende Damen unterwegs, eine ganze Kolonie. Meinen Beobachtungen zufolge wurde Nordic Walking so gut wie ausschließlich von Frauen mit Pinguinmaßen betrieben. Vielleicht stammte daher sogar der Name Nordic Walking: von dem langen Marsch der ausgehungerten Pinguinweibchen Richtung Meer. Wobei sie die brütenden Männchen zurückließen. Meist auf dem Parkplatz am Startpunkt des Neuenthaler Rundwegs, wo es in der Hauptsaison eine kleine Holzbude mit heimischen Produkten gab. Die Männchen der Nordic-Walking-Pinguine hatten mitunter Walrossmaße und wirkten, als könnten sie eine lange Brutzeit überdauern, erzählte ich Cedric, inzwischen außer Atem, und er verlangsamte seinen Schritt, wir fielen vom Galopp in den Trab, in einen zuckelnden Lauf, bis wir schließlich nebeneinander standen, im verschwenderischen Duft der blühenden Bäume. Hinter uns das Klacken der Nordic-Walking-Stöcke.
    »Ich … ich weiß nicht, warum ich dir das eben erzählt habe«, stammelte ich.
    »Vielleicht, weil du nicht von deinem Kummer reden willst? Aber es ist eine schöne Geschichte.«
    Klack. Klack. Klack. Immer näher kam die walkende Pinguinkolonie. Sanft griff Cedric nach meinem Ellbogen, lotste mich auf den Weg, der von der Straße zum Strand führte. Um uns die Büsche in prallster Blüte, voller summender, bestäubungswilliger Hummeln.
    »Ist es … wegen deiner Hochzeit?«, fragte Cedric, und ich schüttelte schnell den Kopf. Auf einem Blatt saßen zwei Marienkäfer. Übereinander. Die gesamte Natur schien im Liebesrausch zu sein.
    »Es ist wegen … wegen allem«, stammelte ich. Von den Bäumen her das Gezwitscher der Vögel, die von oben vermutlich nur ein All-you-can-eat-Insektenbüfett sahen.
    »Das ist nicht gerade wenig.« Cedric hatte meinen Ellbogen noch nicht losgelassen, warm spürte ich seine Hand an meinem Ärmel. »Versuch doch mal, eine Liste zu machen. Das Schlimmste zuerst.«
    »Äh … Liste?«
    »Vielleicht ist es typisch schweizerisch. Aber es hilft.« Der Weg endete, vor uns lag der schmale Streifen Sandstrand, gesäumt von Steinen. Cedric war stehen geblieben, und trotz der Dunkelheit glaubte ich, hinter den Brillengläsern seine Gletschersee-Augen aufblitzen zu sehen.
    »Goldflossy.« Ich hatte ihren Namen schon ausgesprochen, bevor ich meine Gedanken sortiert hatte. Ja, Goldflossy war das Schlimmste, schon schossen mir wieder die Tränen in die Augen. »Ihre verdammten Trekking-Hotpants«, brachte ich noch hervor, dann stolperte ich einfach los, durch den Sand, in Richtung des Bootsstegs vor der Tauchschule meines Onkels. Cedric blieb neben mir. Meine Tränen strömten jetzt, und ich sagte das Erstbeste, was mir einfiel.
    »Die Asseln. Schlemmerfilet. Strapse. Das Sissi-Kleid. Timos Eltern. Mein Vater. Therese.«
    »Was ist mit Therese?«
    »Sie …« Wie sollte ich Therese und ihre Peinlichkeiten einem Fremden erklären?
    »Ich hab eben noch mit ihr geredet«, sagte Cedric. »Sie … sie hat mir erzählt, wie sehr sie sich wünscht, dass du glücklich bist.«
    »Darüber … hat … sie? Mit … dir? Therese? «
    Er lachte. »Ich glaube, sie war … auch ein bisschen durcheinander. Willst du ein

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