Paarungszeit: Roman (German Edition)
berichtet haben, lässt sich Therese Engler, unsere Anwärterin aufs Bürgermeisteramt, nicht davon abhalten, dem Landkreis Brachsee Perlen internationaler Kunst zu präsentieren. Lucien Ledoux, ein Komponist und Musikwissenschaftler von internationalem Rang, hat Therese Englers Einladung angenommen und wird auf dem Pfingstmarkt in Mohnau auftreten, zusammen mit der musikalischen Elite aus Neuenthal: der Feuerwehrkapelle. Hier kann man getrost von Weltmusik sprechen!«
Spontaner Applaus von allen Mitgliedern der Tourismusinitiative. Lucien lächelte und verbeugte sich.
»Aber das ist noch nicht alles! Ich habe noch eine Überraschung parat! Eine wunderbare Überraschung. Genauer gesagt, gleich zwei.«
Kurze Pause, der Reporter unterbrach sein emsig schabendes Mitkritzeln.
»Auch Delphine de Brulée hat vorhin zugesagt, auf dem Pfingstmarkt aufzutreten. Sie wird aus ihren Werken lesen, mit Simultanübersetzung von Cedric Rozier!«
Allgemeines Raunen, Therese, die eine Hand auf Christianes Arm legte, ihr etwas zuflüsterte – tatsächlich, Therese konnte ängstlich aussehen –, Christiane, die energisch den Kopf schüttelte und zischte: »Natürlich wird sie lesen! Samt Diskussion über Brustwarzen im Universum! Das ist deine Publicity!«
Jetzt hob Christiane wieder ihre Stimme: »Außerdem habe ich als offizielle Wahlberaterin von Therese Engler noch ein weiteres Schmankerl bekannt zu geben. Den Bürgern Neuenthals wird die Entscheidung bei der so schwierigen Wahl erleichtert! Gleich am Sonntag nach dem Pfingstmarkt wird eine Veranstaltung stattfinden, wie wir sie sonst nur aus dem Fernsehen kennen. Im Festsaal des Gemeindehauses Brachsee.«
Pause. Der Kreisblattjournalist kaute an seinem Stift. Dafür schrieb jetzt Girgl, langsam und sorgfältig, als hätte er es eben erst gelernt.
»Therese Engler wird ihren Gegner Fredl Weidinger zu einem Duell der besonderen Art fordern: eine Schlacht des Wortes. Ein Schwertkampf der Argumente! Zwei Philosophien prallen aufeinander, zwei Giganten liefern sich einen großartigen Kampf: Versäumen Sie es nicht, das große Rededuell zwischen Fredl Weidinger und Therese Engler!«
Einen Moment war es totenstill im Raum. Dann sagte Franzi: »Sauber!«, und mein Cousin Quirin biss sich auf die Lippen, wie es aussah, um nicht loszuprusten. Die Franzosen flüsterten, Cedric fuhr sich wieder durch die Haare, die inzwischen so zerrauft aussahen, dass man Lust bekam, sie glatt zu streichen, und die Tür der Tauchschule öffnete sich einen Spalt.
»Mei, Özcan!« Franzi winkte. »Komm eini! Das ist Özcan Breithuber, Schneider und Modedesigner«, erklärte sie dem Kreisblattjournalisten, der sicher auch schon mal einen von Özcan komponierten Döner gegessen hatte. »Wir ham hier in Neuenthal nämlich ned nur Trachten, wir ham auch Hot Kotür!«
»Franzi, bitte! Eine Änderungsschneiderei im Hinterzimmer einer Döneria wirst du ja nicht mit einem wirklichen Modeladen vergleichen!« Natürlich konnte Therese den Hinweis auf die Haute-Couture-Konkurrenz nicht auf sich sitzenlassen, und aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie Christiane sie anstieß und sanft den Kopf schüttelte. Özcan kam näher. Oh Gott, was trug er da, unter einer Hülle aus Plastik? Feierlich schritt er an den Franzosen und Therese vorbei, auch an Nat, Gina und Quirin, trat auf mich zu.
»Es ist vollendet«, sagte er, verneigte sich vor mir.
»Dein Hochzeitskleid.«
18.
Z u Hause stand ich eine Weile regungslos vor dem Spiegel im Schlafzimmer. Zum Glück hatte ich Therese abwimmeln können. Es war sogar vergleichsweise leicht gewesen, da die örtliche Presse sie und Christiane mit weiteren Fragen zum Pfingstmarkt und zum Rededuell bombardierte. Schwieriger war es, Gina davon zu überzeugen, dass ich allein sein wollte mit Özcans schneiderischer Darstellung meiner Seele. Und jetzt wusste ich, dass meine Seele eine Kapuze hatte. Das Kleid passte wie angegossen, intuitiv musste Özcan meine tatsächlichen Pinguinmaße erspürt haben. Die Stoffe – Satin, Organza, glänzender Pannesamt und sogar Wildleder – fielen weich um meinen Körper und kaschierten geschickt meine Problemzonen. So weit, wie Gina sagen würde, zu den Pluspunkten.
Einen Moment schaute ich auf den Boden, auf den Samtrock, der sich sanft an meine Füße schmiegte, dann hob ich wieder den Blick.
Wenn das Innere meiner Seele so aussah, hatte ich wohl sechsundzwanzig Jahre mit einer Fremden zusammengelebt. Einen Moment stellte ich mir die
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