Paarungszeit: Roman (German Edition)
Basstönen stimmte er den Holzhackermarsch an, während Resi die vollen Teller wieder abräumte.
Therese zupfte ihre Wahlberaterin am Ärmel.
»Christiane, was jetzt diese klitzekleine Angelegenheit betrifft, von der ich dir vorhin schon erzählen wollte. Nichts Besonderes, wirklich, nur ein unbedeutender Zwischenfall mit einem Alpendirndl. Aber es könnte sein, dass …«
»Sag’s mir später, Therese, lass uns erst mal bestellen.« Christiane wandte sich an die Runde: »Am besten, wir nehmen alle das Wildgulasch, oder? Gut. Dann fünfzehnmal Wildgulasch, Resi.«
Der Rest der Feuerwehrkapelle stimmte in den Marsch ein, auch Lucien griff zu seinem Akkordeon, und Resi verließ die Gaststube. Sogar von hinten sah sie ratlos aus. Kein Wunder. Falls es sich wirklich um einen einzigen Hasen handelte, musste sie sich einiges einfallen lassen. Lucien begann, einen romantischen Kranz aus Tönen um den Marsch zu winden, und Christiane Breitner lehnte sich zurück, nahm einen großen Schluck von ihrem Hellen.
»Also, was wolltest du mir eben erzählen, Therese, was war das für ein kleiner Zwischenfall?«
»Ach … wirklich nichts Gravierendes, also … ich mein … im Vergleich, weißt scho, mit allem, was sonst so passiert, Kriege, Umweltverschmutzung, Hungersnot, dagegen ist so ein Alpendirndl mit rosa Schürze doch …«
»Ah! Oh, là, là! C’est la Obstlör, n’est-ce pas, Cedi?«
»Der geht aufs Haus! Is a Selbstgebrannter! Zum Wohl!«
Sakra! Was war nur in Resi gefahren, was sollte dieser plötzliche Anfall von Großzügigkeit mitten in Therese Englers geschickter Einleitung, die das Alpendirndlgeschehen ins richtige Verhältnis zum Weltgeschehen setzte? Alle, auch ihre Wahlberaterin, kippten den Frei-Obstler und auch den nächsten, den Resi anbot, ihnen beinahe aufnötigte, vermutlich, um französische und bayerische Geschmacksnerven zu desensibilisieren und auf ihr Wildgulasch vorzubereiten. Obstlerbedingt kam die Probe jetzt richtig in Schwung, die Musik wurde erst lauter, so laut, dass alle weiteren Erklärungsversuche untergingen, dann sanfter. Ausgerechnet Anderl stimmte eine Melodie an, die Therese ihm niemals zugetraut hätte, bestehend aus mehr als den beiden Tönen, die man in Neuenthal von ihm kannte. Drei, nein vier, sakra, sogar fünf Töne brachte er heraus, bevor der sechste versickerte, als hätte die Tuba beschlossen, ihn wieder zurückzuholen.
Die Franzosen lachten, Luciens Augen leuchteten amüsiert, beim Spielen sah er zu ihr herüber. Mei, was wurde ihr wieder so heiß, war es der Obstler oder die Erleichterung, dass er ihr nicht mehr böse zu sein schien wegen des winzigen Dirndlzwischenfalls? Ein Zwischenfall, gegen dessen eventuelle Auswirkungen sie dringend etwas unternehmen mussten. Jetzt, da die Schockstarre des Nachmittags langsam wich, wurde es Therese klar: Was immer Fredl Weidinger plante, sie mussten schneller sein und …
»Mei, Anderl, des is ja unser Lied!« Resi, samt Gulaschtopf, blieb auf dem Weg zum Tisch mitten im Raum stehen. Kruzifix! Ja! Jetzt erkannte Therese es auch, das französische Lied, zu dem man in ihrer Jugend auf Partys getanzt hatte, neben I’m Sailing und Love Hurts. Ein Mann, der stöhnte, dazu eine Frauenstimme, die in den höchsten Tönen etwas sang, das wie schewäschewäschewä klang. Mit dieser Wäsche konnten nur die Stringtangas und Spitzenhöschen aus Delphine de Brulées Romanen gemeint sein, aber auf Anderls Tuba hörte es sich eher nach geblümten Unterhosen im Zehnerpack an, Größe 42 bis 46, die Sorte, die Resi bevorzugt im Drogeriegroßmarkt in der Kreisstadt kaufte.
Konnte man mit so etwas auf dem Mohnauer Pfingstmarkt einen orientalischen Schleiertanz ausstechen? Und war ausgerechnet eine Tuba das richtige Instrument für eine so heikle Melodie? Es klang wie ein Elefant mit einem bösen Schnupfen. Sollte sie als Bürgermeisterin nicht eingreifen, bevor sie etwas einstudierten, das später vielleicht …
»Wildgulasch mit Semmelknödeln!« Resi stellte einen Teller voller undefinierbarer brauner und hellerer Bröckchen vor ihr ab. Sollte sie davon wirklich essen? Auch Delphine de Brulée sah unentschlossen aus. Susn flüsterte Cedric etwas ins Ohr, während Christiane Breitner, Hartl, Gina und Quirin gemeinsam rätselten, welche verschiedenen heimischen Wildtierarten sich in diesem Ein-Hasen-Gulasch verbergen mochten, von Blindschleiche bis Nacktschnecke. Dann schob Christiane ihren Teller weg, so energisch, dass er ein Stück
Weitere Kostenlose Bücher