Paarungszeit: Roman (German Edition)
Entschuldigungsrede halten und auf die Wichtigkeit der Probe hinweisen? Ein etwas ungeduldiges »Nun setz dich doch, wir wollen bestellen« ihrer Wahlberaterin brachte sie von ihrem Vorhaben ab. Die Mitglieder der Tourismusinitiative Neuenthal waren fast vollzählig am Stammtisch versammelt, nur Nat Wildmoser und Franzi fehlten. Anderl, für seine Verhältnisse nahezu festlich gekleidet, in einem beinahe weißen Hemd und Stoffhosen, verteilte schon die Speisekarten, ein rotkariertes Geschirrhandtuch über dem Arm. Mei, würde sie jetzt immer an den Push-up-BH denken müssen, wenn sie einen Ober oder etwas Ähnliches wie einen Ober sehen würde? Auch die Speisekarten sahen für Feuerwehrkneipenverhältnisse ungewohnt festlich aus: keine Spur der sonst üblichen Fettflecken auf Resis gestochener Schrift. Semmelknödel mit Speck, strammer Max mit Leberkas und Neuenthaler Wildgulasch.
»Wildgulasch?«, fasste ihr Neffe Quirin das allgemeine Erstaunen zusammen, während die Franzosen noch aufgeregt schnatterten: »Semmelknödöl, Cedi, qu’est-ce que c’est?«, und Susn von der anderen Seite Cedric zuzischte: »Äh, die Semmelknödel kann ich nicht empfehlen, überrede sie doch zu etwas anderem, ja?« Anscheinend hatte Susn auch von dem Gerücht gehört, dass in Resis Knödeln von Eierschalen über Hühnerfutter und Kaffeepulver bis hin zu Zahnstochern schon alles gefunden worden war. Böse Zungen hatten sogar behauptet, auf Dübel, Korken und ein kleines Küchenmesser gestoßen zu sein.
»Der Mo von da Amrei hot an Hasn überfahren«, beantwortete einer der verbannten Stammtischbewohner Quirins Frage nach dem Wildgulasch. Die jungen Leute, auch ihre Susn, lachten, Anderl dementierte heftig, erzählte eine windige Geschichte über Jäger aus Sonnau, denen er Wild abkaufe, Cedric übersetzte, beantwortete gleichzeitig auf ihn einprasselnde französische Fragen, vermutlich nach dem Essen. Therese hatte es bei ihrem Frühstück immer wieder erlebt, dass die Franzosen, sogar die schlanke Delphine, über jede Scheibe Bierwurst, jedes weiche Ei debattierten, als ginge es um weltverändernde politische Ereignisse. Sie wandte sich ihrer Wahlberaterin zu. Vielleicht war es günstig, sie schon einmal einzustimmen.
»Christiane, ich muss nachher über eine Kleinigkeit mit dir reden, nichts Weltbewegendes, es ist nur …«
»Was wollts? A Vorspeisn?« Anderls erschütterter Ausruf schnitt ihr das Wort ab, und ihre Wahlberaterin drehte sich zu ihm um.
»Das kann doch nicht so schwer sein, Anderl. Ein Salat mit warmem Ziegenkäse zum Beispiel, oder Weinbergschnecken. Trüffel, Lachssoufflé, Gänseleberpastete.« Aus dem Augenwinkel sah Therese, wie Christiane süffisant lächelte. »Und sag Resi schon mal, sie soll auch über ein Dessert nachdenken. Man liebt Desserts in Frankreich, n’est-ce pas, Madame de Brulée? Mousse au Chocolat zum Beispiel. Und danach vielleicht eine kleine Käseplatte. Und natürlich Café Crème. Dass es keinen Wein gibt, damit hat man sich anscheinend ja schon arrangiert.«
Mit einem bemerkenswert lässigen, gleichzeitig königlichen Nicken deutete Christiane auf die kichernd ihre Halblitergläser stemmenden Franzosen.
»Wir wollen in fünf Minuten bestellen. Die Probe findet dann zwischen dem ersten und zweiten Gang statt. Noch Fragen?«
Anderl, wie immer eingeschüchtert in Christiane Breitners Gegenwart – was ihn allerdings nicht hinderte, sie hinter ihrem Rücken als überkandidelte Schnoin zu bezeichnen –, kratzte sich am Kopf. Dann verzog er sich in die Küche, wie es aussah, zu einer Krisenbesprechung.
Sakra! Das war eine Autorität! Und organisieren konnte Christiane Breitner, das musste man ihr lassen!
Wenige Minuten später rauschte Resi schon wieder herein, servierte persönlich die Vorspeise, obwohl noch niemand etwas bestellt hatte. Cedric übersetzte Anderls feierliche Ankündigung »Es gibt a Ochsenschwanzsuppe« ins Französische. Was nicht gerade schön klang, nach »Potarsch« und »Ködeböff«, und so ähnlich schmeckte die rasch aufgewärmte Dosensuppe auch. Das aufgeregte Geschnatter der Franzosen verstummte schnell wieder, höflich lächelnd schob erst Delphine ihr Schälchen weg, dann Lucien.
Therese konnte sich ein gönnerhaftes Lächeln in Anderls Richtung nicht verkneifen. Franzosen bewirten konnte eben nicht jeder! Und es half nur vorübergehend, sich an die Tuba zu setzen, wie Anderl es jetzt tat, um von der Suppe abzulenken. Mit zwei abwechselnden, schneidigen
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