Paarweise
selten in Vereinen oder Verbänden, findet bei ihm keine Bausparverträge oder Briefmarkensammlungen. Zuhause fühlt er sich eher dort, wo es tatsächlich auch oft bunt zugeht: in Filmstudios, Werbeagenturen oder in der Kunstszene,
sei es auf der Bühne oder im Atelier, in der Galerie oder in der Modeboutique. Für ihn gilt, dass seine Konstanz im Wandel liegt; er ist daran erkennbar, dass er stets ein anderer ist. Für tolerante und durchblickende Freunde trotz allem ein anstrengender Typ.
Der Bunte als Partner
Erinnert man sich an Shakespeares Worte, dass alle Menschen nur Spieler ihrer Lebensrolle sind, dann hat es der Bunte am besten erwischt – zumindest für sich selbst. Denn er lebt seine Probleme aus, agiert sie aus, wie die Psychoanalyse dazu sagt, was eben oft auf Kosten anderer, meist der Nahestehendsten geht.
Doch was der Ergebene schluckt, der Erhabene gar nicht an sich herankommen lässt und der Beständige verdrängt, das wird vom Bunten laut gelebt. Dramatik und Pathos sind deshalb für ihn beliebte Spielarten der Kommunikation. Die Rolle auf der Bühne des Lebens ist mehr ein Repertoire, aus dem er schöpft − sein Leben wird zum Spiel.
So ist er in der Liebe eher ein Meister des Beginns, des Flirts und der ersten Wochen, ja vielleicht sogar noch der Flitterwochen. Doch beim Übergang vom Verliebtsein zum Lieben, vom anfänglichen Rausch zum gemeinsamen Alltag beginnen meist die Probleme.
Der Bunte ist eine Mischung aus Blume, Vogel, Kind und einem unbekannten Zauber, den man in Märchen und Liebesromanen findet. Wer das mag – und vor allem, wer weiß, was
er sich da einhandelt – wird eine Weile lang eine sicher nicht langweilige Beziehung führen. Wichtig ist vor allem, zu wissen, dass der Bunte die Worte nicht so genau nimmt, wie sie sonst üblicherweise genommen werden, obwohl er selbst im Moment felsenfest daran glaubt, zu wissen und auch zu fühlen, was er sagt. Doch ob er es morgen auch noch will, bleibt fraglich.
Klienten dieses Typs leiden häufig unter Partnerproblemen. Dahinter stecken Identitätsprobleme, die sowohl mit der Geschlechterrolle als auch mit dem Selbstwertgefühl zusammenhängen. Höhenflüge, grandiose Ideen und Allmachtsfantasien werden von mir immer wieder mit der Aufforderung zum Landen verbunden, um das »Erden« mit ihm zu üben. Schließlich ist es für viele Partner einfach überfordernd, dauernd einen Überflieger oder Luftschlossherrn neben sich zu haben. Gehen bedeutet schließlich, immer ein Bein auf der Erde zu haben, während das andere zwar in der Luft ist, aber schon den nächsten Erdkontakt vorbereitet.
Der Erhabene
Sie war so richtig fertig, weil sie schon wieder ein Wochenende allein verbracht hatte, obwohl sie doch fest mit ihm befreundet war. Er wohnte auch nur eine halbe Stunde von ihr entfernt in derselben Stadt. Aber er wollte sie nicht sehen, wollte lieber arbeiten, so ihre Interpretation. Er müsse leider dieses Wochenende durcharbeiten, das war seine Formulierung gewesen. Sie wollte nur wissen, was sie falsch machte. »Das kann
doch nicht sein, dass er auf nichts anspringt«, klagte sie ihrem Bruder. »Was soll ich denn nur tun, um ihn mehr zu fesseln, ich komme einfach nicht an ihn ran!«
Was sie zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, war die Tatsache, dass sie an einen Erhabenen geraten war. An einen Typ, den man auch in der Version des »Coolen« oder des »lonely wolf« kennt, eben in Rollen, in denen er nicht greifbar ist und sich trotzdem nicht als Sonderling verstecken muss. Gott sei Dank stellt unsere Gesellschaft jedem, auch vom normalen Bürgerleben »ver-rückten« Menschen, positive Rollen zur Verfügung. Dieser Mann war einer, der Angst vor zu viel Nähe hatte, Angst vor möglicher Verschmelzung. Denn genau das hatte er schon einmal erlebt.
Je mehr er versuchte, sich abzugrenzen, umso aufdringlicher wurde seine damalige Partnerin. Nichts konnte er mehr alleine machen, so kam es ihm vor; überall wollte sie sich einmischen, obwohl sie nicht einmal verheiratet waren. Sein jetziges Leben war eigentlich sehr gut eingerichtet, und als Erhabener lebte er alleine und pflegte einen interessanten Bekanntenkreis. Einen richtigen Freund hatte er eigentlich nicht, war aber überall dabei, beliebt und begehrt. Was will man mehr? Für die intimeren Stunden hatte er ja auch noch seine Freundin, die er sich aber lieber ein bisschen auf Distanz hielt.
Irgendwie war ihm bewusst, dass seine Bekannten außer den Lokalbesuchen, den
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