Paarweise
Schicksal Vernachlässigter. Nein, seine Besonderheit liegt darin, dass er einseitig »lässt«, anstatt auch zu tun. Er lässt sich anrufen, quälen, erfreuen, mitnehmen, überreden. Sein Tun besteht aus Warten, aus Hoffnung und Wünschen. Er bekommt dann etwas ab, wenn man ihm etwas gibt, denn sein ganzes Streben ist darauf gerichtet, andere Menschen zu finden, die sein Spiel mitspielen, diese zu »halten« und über sie oder von ihnen etwas zu bekommen. Die Verantwortung wird einfach an andere übergeben: »Ich
bin demütig und fordere gar nichts« – aber die Befriedigung der Wünsche, das vorgekaute Lebensglück.
Und das funktioniert. Immer wieder findet er Menschen, die sich freuen, wenn er sagt »Ich liebe nur dich und will nur dir nachfolgen. Ich freue mich an deinem Glück. Ich stelle mich und meine Bedürfnisse gerne für dich zurück. Nur du, du allein, sollst mein ganzer Inhalt sein.« Insbesondere von emanzipierten Frauen »geschädigte« Männer oder von unverständigen Männern enttäuschte Frauen sprechen auf diesen scheinbar engelhaften Typ an.
Je bedingungsloser der Ergebene sich schenkt, umso weniger wird man ihn wieder los. Durch das anhängliche bis klettenhafte Verhalten kommt der Partner nämlich schon sehr bald auf diese Idee. Aber so einfach geht der Ergebene nicht mehr; er hat nämlich Angst davor. Er hat wahrscheinlich die größte Angst von allen der hier beschriebenen Partnertypen, weil gerade das Alleinsein und die damit verbundenen Folgen nach eigenständigen Entscheidungen bei ihm existenzielle Angstgefühle auslösen. Nähe und Wärme zu spüren, nur zu wissen, dass jemand da ist, das genügt ihm schon. Er ist ein Experte im Streitvermeiden, ein Könner in der Anpassung, ein Künstler im Verwöhnen des anderen. Seine Angst ist letztlich eine dreifache:
Er hat Angst davor, dass ihn der andere verlässt (weil er einen anderen Menschen lieber hat oder allein leben möchte oder aus ähnlichen Gründen).
Er hat Angst, etwas falsch zu machen, worauf sein Partner ihn verlassen würde.
Er hat Angst, allein zu sein, weil er glaubt, es allein nicht zu schaffen – schließlich hat er das noch nie erlebt und traut sich das auch gar nicht zu.
Das Dilemma liegt darin, dass Autonomie tatsächlich so lange nicht erlebt werden kann, solange sie nicht probiert wird. Natürlich ist ein Leidensdruck vorhanden. Zum Energieverschleiß, die eben genannten Ängste auszuhalten bzw. sie zu beschwichtigen, kommt noch der Energieaufwand hinzu, die Frustrationen zu ertragen, die daraus entstehen, dass die eigenen Bedürfnisse ja stets nur zum Teil befriedigt werden, denn der Partner ist nicht immer gewillt, auf die Bedürfnisse einzugehen, auf deren Erfüllung der Ergebene still und leidend hofft. Außerdem bleiben noch viele Bedürfnisse unbefriedigt, die der Partner nicht kennt. Bedürfnisse müssen nun einmal von einem selbst erspürt werden.
Der Ergebene als Partner
Die Tragik liegt auch hier darin, dass der Partner des Ergebenen in einer Falle sitzt: Spielt er das Spiel mit und übernimmt er die Funktion des Autors und Regisseurs für den Ergebenen, dann ist dieser zwar glücklich wie ein Schauspieler mit einem guten Engagement, aber die Rollenverteilung bleibt starr und verhindert Reifung, Wachstum und authentische Selbstverwirklichung.
Spielt der Partner dieses einseitige Spiel nicht mit, so verursacht er eine tragische Enttäuschung und bricht ein Herz, bis
der Ergebene ein neues Opfer findet. In den meisten Fällen wird ein neuer Partner gefunden, ohne aus dem Zerbrechen der Beziehung gelernt zu haben.
Ich empfehle in solchen Fällen gern das Konzept des »Fluchthelfers«: Also vorübergehend eine lockere Beziehung einzugehen, um nicht gleich wieder in die alten Fehler zu verfallen und dennoch gefeit zu sein vor einem unreflektierten, sehnsuchtsgetriebenen Rückfall in die alte Beziehung, mit dem Ziel, sich hinterher nicht benutzt und enttäuscht zu fühlen.
Seine wichtige Funktion besteht darin, für den anderen da zu sein, wenn es ihm schlecht geht, als Intimpartner sexuelle Entzugserscheinungen zu bannen und dafür Selbstständigkeit zu vermitteln, was insgesamt die Gefahr eines blinden Rückfalls enorm vermindert. Seine aber wohl wichtigste Aufgabe ist die, als Diskussionspartner zur Verfügung zu stehen. Denn der Ergebene neigt dazu, keinen Freundeskreis gepflegt, sondern allein auf seinen »Meister« fixiert gelebt zu haben. In der Phase, die Liebe zu entdecken, sich in Selbstliebe zu
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