Pacific Paradise - Boone Daniels 2
Hand.
25
Fünfundvierzig Minuten später springen sie ins Wasser vor La Jolla Cove. Boone trägt eine Taucherbrille mit Lampe, einen Schnorchel, Schwimmflossen und eine Harpune. Er und Dave, der ähnlich ausgerüstet ist, schwimmen auf dieUnterwasserhöhlen zu, die bereits erwähnten »Löcher«, denen der Küstenabschnitt, zumindest Boones Vorstellung nach, seinen Namen verdankt.
Höhlen und Unterwasserlöcher sind gut, weil es dort Fische gibt.
An einem lauen Abend ist Schwimmen wunderbar, erfrischend, aber nicht zu kalt. Den Großteil des Jahres über tragen sie Neoprenanzüge, weil die Unterströmungen kalt sind, aber im August ist es noch warm genug, um nur in Badehose ins Wasser zu gehen.
Das ist eine tolle Sache, nächtliches Harpunenfischen. Sie sind von einer Gruppe Neunzigjähriger darauf gebracht worden, die sich Bottomscratcher’s Club nannten. Das waren Veteranen des Zweiten Weltkriegs, die Flugzeugabstürze, Schiffsuntergänge und Amphibienlandungen überlebt hatten und zurück zu Hause in San Diego feststellen mussten, dass ihr adrenalin-verwöhntes Nervensystem unterfordert blieb. Also fingen sie an, durch die Unterwasserhöhlen von La Jolla Cove zu tauchen.
Wem die engen Höhlen, die starke Brandung und die gefährlichen Strömungen nicht gefährlich genug vorkommen, sollte sich klarmachen, dass hier niemand freiwillig jagen geht, außer den weißen Haien, die auf die zahlreichen Seelöwen, ihre bevorzugte Leibspeise, scharf sind, und dass Taucher in Neoprenanzügen und mit Schwimmflossen Seelöwen verdammt ähnlich sehen.
Bis zur Gründung des Bottomscratcher’s Club war das Harpunenfischen in San Diego sogar verboten, doch dann entschied ein Gesetzgeber, dass jemand, der so wenig Hirn und so viel Mumm hatte, sich weißen Haien in ihrem angestammten Gefilde als Köder anzudienen, verdammt noch mal auch das Recht dazu haben sollte. Der Bottomscratcher’s Club hatte sich erst vor kurzem aus Altersgründen aufgelöst, aber Boone und Dave führen die schöne Tradition in einer Mischung aus Kühnheit und Dummheit fort.
Und weil sie kostenlos essen wollen.
»Was nichts kostet schmeckt besser«, lautet ein Glaubensartikel in Daves Kosmologie, und Boone kann dem nur zustimmen. Irgendetwas schmeckt an einem Essen, für das man nichts hinblättern muss, einfach, na ja, besser.
Jetzt schwimmen Boone und Dave rüber zu der Höhle, in der sie glauben, das größte Glück haben zu können. Boone spuckt in seine Maske, schwenkt Wasser über das Glas und klemmt sie sich über die Augen. Dann schwimmt er kurz herum und taucht ab.
Das bezeichnet man als Freitauchen, weil man sich nicht mit dem ganzen Ballast an Ausrüstung, mit Sauerstoffflaschen und Lungenautomaten, herumschlagen muss. Man hält so lange wie möglich die Luft an und taucht so tief wie möglich ab, behält dabei aber genug Reserven in der Lunge, um es zurück nach oben zu schaffen. Sowohl Boone als auch Dave sind staatlich geprüfte Gerätetaucher und tauchen manchmal auch mit dem ganzen Klimbim, aber an einem Sommerabend ist es schöner, einfach ins Wasser zu springen, und los geht’s.
Boone schaltet seine Lampe an und taucht auf die Mündung einer schmalen Höhle zu. Er bewegt den Kopf, um das Licht kreisen zu lassen, sieht aber nur kleine Fische, weshalb er erst mal wieder auftaucht, Luft holt und anschließend erneut abtaucht. In ungefähr fünfzehn Metern Entfernung entdeckt er Dave, der über einer Spalte im Riff schwimmt. Um Sichtkontakt zu halten, sollte man, so dicht es geht, zusammenbleiben, aus Sicherheitsgründen aber größtmöglichen Abstand halten – das Letzte, was man möchte, ist, seinen Kumpel mit der Harpune aufzuspießen.
Aus dem Augenwinkel nimmt Boone eine Bewegung wahr. Er dreht sich um und sieht etwas in einer Spalte in einem Unterwasserfelsen verschwinden, zurück bleibt nur ein Strudel aus Luftblasen, die im Licht der Lampe glitzern.Boone schwimmt zu dem Spalt und tastet ihn ab. Er ist eng, aber breit genug, er wendet sich seitwärts und schiebt sich hinein.
Der Spalt führt in eine Unterwasserkammer und Boone sieht einen Gelbflossenthunfisch unter sich, der mit wedelnder Schwanzflosse verschwinden will. Boone hat fast keine Luft mehr – er spürt die Enge in seiner Brust und die leichte Panik, die immer da ist, wenn einem die Luft ausgeht –, aber er entspannt sich und geht drüber weg, schwimmt näher an den Thunfisch heran. Er hebt seine Harpune an die Schulter und betätigt den Auslöser. Der Speer
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