Pacific Paradise - Boone Daniels 2
gibt’s?«
»Wir müssen reden.«
Boone öffnet seine Tür und sagt: »Komm rein.«
Er kennt Tide seit dem College, als der Große noch der angesagteste Lineman des Football-Teams der San Diego State University war und auf dem besten Weg in die Profiliga. Bis eine Knieverletzung seine Karriere beendete – damals war Boone für ihn da gewesen. Vorher, als Tide noch über sämtliche Samoaner-Gangs von Oceanside herrschte, als er noch nicht Jesus entdeckt und das alles hinter sich gelassen hatte, hatte Boone ihn noch nicht gekannt. Aber er hatte Geschichten darüber gehört – nicht von Tide, sondern von anderen.
Sie betreten Boones Cottage. Tide lässt sich möglichst sachte auf dem Sofa nieder.
»Willst du was?«, fragt Boone.
Tide schüttelt seinen großen Kopf. »Nein, danke.«
Boone setzt sich ihm gegenüber auf einen Stuhl. »Was ist los?«
Normalerweise ist High Tide ein ziemlich lustiger Typ. Jetzt nicht. Jetzt ist er scheißernst. »Du bist auf der falschen Seite, Boone.«
»Du meinst den Fall Blasingame.«
»Weißt du, wir sehen das anders, für uns ist das nicht ›der Fall Blasingame‹«, sagt Tide, »Für uns ist das ›der Mord an Kelly‹.«
»Und ›wir‹ bedeutet die Insel-Community?« Worunteralle ehemaligen Bewohner von Hawaii, Samoa sowie der Fiji- und Tonga-Inseln zu verstehen sind, die es je nach Kalifornien verschlagen hat.
Tide nickt. »Natürlich haben wir auch mal Streit untereinander, aber wenn einer von draußen der Community was will, dann halten wir zusammen.«
»Weiß ich doch.«
»Nein«, sagt Tide, »wenn du das wüsstest, würdest du nicht für die Gegenseite arbeiten. Wir reden hier von Kelly Kuhio, K2. Weißt du, wie wenige Leute von den Inseln es gibt, die die Kids so richtig bewundern können? Ein paar Football-Spieler, ein paar Surfer. Erinnerst du dich an die Zeit, als sich die Samoaner Bandenkriege geliefert haben?«
»Klar.«
»K2 ist mit mir von einer Straße zur nächsten, von einem Wohnblock zum anderen gezogen«, sagt Tide. »Hat sich selbst in die Schusslinie gestellt, damit endlich wieder Frieden einkehrt.«
»Er war ein Held, Tide, das bestreite ich nicht.«
Tide guckt verwirrt. »Dann …«
»Die wollen den Jungen lynchen«, sagt Boone. »Das ist nicht richtig.«
»Es wird sich aufklären.«
»Genau, daran arbeite ich.«
»Ohne dein Zutun«, sagt Tide. »Burke kann jeden Privatdetektiv engagieren, den er haben will. Du musst das nicht machen. Ich empfinde es als persönliche Kränkung, dass du diesen Fall übernommen hast, das sage ich dir. Ich bitte dich als dein Freund, steig da wieder aus.«
High Tide ist nicht nur ein Freund, sondern einer der grundanständigsten Menschen, die Boone je kennengelernt hat. Nicht einmal, sondern gleich zweimal hatte High Tide wieder ganz von vorne anfangen müssen – er ist ein Familienmensch, dessen Familienbegriff die ganze Communityumfasst. Er kehrte zurück und arbeitete mit den Gangs, die er früher in Kriege geführt hatte, sorgte für Frieden und schürte ein kleines bisschen Hoffnung. Ein intelligenter, sensibler Mann, der eine solche Bitte nicht äußern würde, wenn er nicht gründlich darüber nachgedacht hätte.
Aber er irrt sich, denkt Boone. Jeder Anwalt, jeder Ermittler in der Stadt würde den Fall aus den genannten Gründen ablehnen, und trotzdem brauchen auch die Coreys dieser Welt – ganz besonders die Coreys – Hilfe. Wenn uns Kelly irgendetwas beigebracht hat, dann das.
»Tut mir Leid, Joshua. Das kann ich nicht machen.«
Tide steht auf.
Boone sagt: »Wir sind aber doch noch Freunde, oder?«
»Ich weiß nicht, B«, sagt Tide. »Darüber muss ich nachdenken.«
Erst Johnny, jetzt Tide, denkt Boone, als der große Mann gegangen ist. Wie viele Freundschaften muss ich für dieses dreckige Stück Scheiße, Corey Blasingame, noch aufs Spiel setzen?
Dann riecht er, dass sein Fisch anbrennt.
Er rennt raus, aber der Thunfisch ist schon Cajun-stylemäßig verkohlt. Er nimmt ihn mit rein, steckt ihn mit einer Scheibe rote Zwiebel in eine Tortilla, holt scharfe Sauce aus dem Kühlschrank, kippt sie über den Fisch und verschlingt die ganze Schweinerei mit wenigen großen Bissen.
Essen ist Essen.
Dann ruft er Pete an.
Sie ist natürlich immer noch im Büro.
Partnerin einer Kanzlei wird man nicht, wenn man pünktlich Feierabend macht.
»Hall«, sagt sie.
»Daniels.«
»Hi, Boone, wie geht’s?«
Er erzählt ihr, was ihm bei seinem Versuch, CoreyBlasingames Seele zu retten, den Tag
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