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Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Titel: Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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und dann untergeht. Als sich der Kahn wieder aufrichtet, steht Esteban auf, stolpert auf das Steuerrad zu und lenkt den Kahn wieder auf die entgegenkommende Welle zurück. Mit seiner anderen Hand löst er das Seil, das ihm als Gürtel dient, und fesselt sich damit an die Säule des Steuerrads.
    Und er betet.
    San Andrés, ich habe mich der Sünde ergeben und Kinder verkauft. Aber ich werde sie nicht töten, ich flehe um deine Gnade. Sei gnädig mit uns allen.
    Die See bäumt sich vor ihm auf.

117
    Dave kann kaum glauben, was er sieht.
    Als er den höchsten Punkt einer Welle erreicht, sieht er das Boot unten in deren Tal; es liegt seitlich zur herabdonnernden Welle und gefährlich tief im Wasser, wie ein Baumstamm, der sich um die eigene Achse dreht. Das Rettungsboot baumelt Steuerbord am Kran, als sei der Befehl »alle Mann von Bord« zwar erteilt, aber nicht ausgeführt worden.
    Wo zum Teufel steckt der Kapitän? fragt sich Dave. Was denkt der sich dabei?
    Dave gleitet im Zodiac von der Welle, rast an den Kahn heran. Sekunden, bevor die Welle seitlich dagegenkracht und ihn umzukippen droht, erreicht er ihn, gerade noch rechtzeitig, um aufzuspringen, das Boot zu vertäuen und sich festzuhalten.
    Wie durch ein Wunder richtet sich der Kahn wieder auf und Dave schafft es ins Steuerhaus.
    Der Mann am Ruder ist bewusstlos, er liegt unter dem Steuer an Deck, Blut rinnt aus einer Platzwunde am Kopf. Dave kennt Esteban von verschiedenen solcher Übergaben, aber warum zum Teufel ist der Junge ans Steuer gefesselt? Und wo ist Juan Carlos?
    Dave lenkt den Kahn wieder zurück auf Kurs, arretiert das Steuer und kniet neben Esteban. Der Junge öffnet die Augen und lächelt.
    »San Andrés …«
    Von wegen San Andrés, denkt Dave.
    Dann hört er Stimmen.
    Es ist so eine Nacht, in der man seltsame Stimmen hört. Könnte der Wind sein, der ihm Streiche spielt, aber die Stimmen scheinen von unter Deck zu kommen.
    Er geht zur Luke und öffnet sie.
    Er kann kaum glauben, was er dort sieht:
    Sechs oder sieben zusammengekauerte kleine Mädchen.

118
    Dave muss würgen.
    Sogar noch an Deck in der Meeresluft stinken Kotze, Urin und Scheiße von unten herauf, und Dave muss gegen den Brechreiz ankämpfen. Dave the Love God gerät ernsthaft aus dem Konzept, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben. »Bleibt dort«, schreit er und schiebt seine Handflächen vor, um sich verständlich zu machen. »Bleibt da!«
    Er geht zum Steuerhaus zurück. Esteban versucht sich aufzurappeln. Dave packt ihn am Hemd und drängt ihn gegen das Steuer.
    »Was ist das, verfluchte Scheiße?«, schreit Dave.
    Esteban schüttelt nur den Kopf.
    »Das mache ich nicht mit!«, brüllt Dave. »Davon hat mir niemand was erzählt!«
    »Tut mir leid!«
    »Wo ist Juan Carlos?«
    Esteban zeigt aufs Wasser. »Über Bord.«
    Gut, denkt Dave. Adios, verdammte Scheiße. Am liebsten würde er Esteban gleich hinterherstoßen, aber er braucht ihn, um die Kinder von dem sinkenden Kahn ins Schlauchboot zu verfrachten. Das ist nicht einfach.
    Den Mädchen ist schlecht, ihnen ist schwindlig und sie haben Todesangst, fürchten sich, das kleine bisschen Sicherheit aufzugeben, das sie vor der tosenden See bewahrt. Dave muss alle seine psychologischen Rettungsschwimmerkünste aufbieten, um sie zu beruhigen und vom Kahn herunterzulotsen. Er steigt als Erster ein und streckt die Arme aus, während ihm Esteban eine nach der anderen herunterreicht. Er packt sie ins Schlauchboot, setzt sie mit Bedacht so hin, dass das Gewicht ausbalanciert bleibt.
    Das Boot wird zu schwer sein und zu tief im Wasser liegen, um wirklich sicher zu sein, aber ihnen bleibt keine Wahl. Entweder lässt er sie hier draußen zurück, oder er strengt sich an und holt sie alle ins Boot. Die offene See macht ihm keine allzu großen Sorgen – der Sturm legt sich allmählich und er weiß, wie er die Wellen umschifft. Der kritische Moment wird sein, die Wellen direkt vor der Küste zu durchbrechen, dort könnte das überladene Boot leicht kentern oder volllaufen. Er bezweifelt, dass sich geübte Schwimmerinnen unter den Mädchen befinden. Wenn er das Boot nicht sicher an Land steuert, werden die meisten von ihnen in den gewaltigen Weißwassermassen ertrinken.
    Esteban reicht ihm das letzte Mädchen herunter und macht Anstalten, selbst hinterherzuklettern.
    Dave hält ihn zurück.
    »Du stehst nicht auf der Liste, pacheco.«
    »Was soll ich denn machen?«
    »Den Kahn wenden und nach Mexiko zurückfahren«, sagt Dave. »Das,

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