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Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private

Titel: Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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niemals ändern wird.

116
    Das kleine Boot springt und schaukelt im schweren Seegang. Wellen schlagen über den Bug, das Boot gleitet ins Tal und klettert wieder heraus, droht rückwärts umzukippen, bevor es auf den Kamm der nächsten Welle springt.
    Außer Kontrolle.
    Die Crew hat Erfahrung in unruhiger See, aber so etwas haben sie noch nicht erlebt. Juan Carlos und Esteban haben diesen Film gesehen, Der Sturm , hätten sich aber nicht träumen lassen, einmal selbst in solches Unwetter zu geraten. Sie wissen nicht, was zum Teufel sie tun sollen, und vielleicht gibt es auch gar nichts, was sie tun können – das Meer macht mit ihnen, was es will.
    Esteban betet zu San Andrés, dem Schutzheiligen derFischer. Esteban ist ein Fischerssohn, dem das Leben in seinem Heimatdorf zu langweilig wurde und der auf der Suche nach Abenteuer in die Stadt zog. Jetzt wünscht er sich inbrünstig, er hätte auf seinen Vater gehört und wäre in Loreto geblieben. Falls er dieses Boot jemals wieder lebendig verlassen sollte, will er zurückkehren und seinen Kahn niemals wieder außer Sichtweite der Küste steuern.
    »Notruf über Funk!«, schreit Esteban Juan Carlos zu.
    »Mit der Ladung unten?«, fragt Juan Carlos.
    Mit der Ladung würden sie dreißig Jahre bis lebenslänglich bekommen. Also kämpfen sie weiter in nördlicher Richtung gegen die heftige Strömung an, wollen es bis zum Treffpunkt schaffen und ihre Ladung abliefern.
    Die Ladung ist unten.
    Starr vor Angst.
    Sie weint, jammert und übergibt sich.
    Oben an Deck sagt Juan Carlos zu Esteban: »Der Kahn säuft ab!«
    Vielleicht hat er recht, denkt Esteban. Das Boot ist mit seinem schweren Rumpf für eine ruhige See und sonnige Tage gebaut und nicht dazu da, Berghänge herunterzuschlittern. Es ist zum Kentern verurteilt. Sie sollten sich besser in die Rettungsboote setzen.
    Juan Carlos denkt genau dasselbe. Esteban sieht es dem älteren Mann an den Augen an. Juan Carlos ist Mitte vierzig, wirkt aber älter. Sein Gesicht ist nicht nur vom Meer und der Sonne gezeichnet; seine Augen zeigen, dass er in seinem Leben schon so einiges gesehen hat. Esteban ist noch ein Teenager, er hat nichts gesehen, aber er weiß, dass er die Erinnerung an dieses Erlebnis nicht den Rest seines Lebens mit sich herumschleppen will.
    »Was ist mit denen?«, schreit Esteban und deutet nach unten.
    Juan Carlos zuckt mit den Schultern. Im Rettungsboot ist für sie kein Platz. Schade drum, aber so ist das Leben.
    »Das mach ich nicht«, sagt Esteban und schüttelt den Kopf. »Ich lass die nicht hier draußen im Stich.«
    »Du machst, was ich dir sage!«
    Esteban spielt seinen Trumpf aus. »Was würde Danny dazu sagen? Der bringt uns um, Mann!«
    »Scheiß auf Danny! Der ist nicht hier!«, erwidert Juan Carlos. »Du musst das hier erst mal überleben, dann kannst du dir Sorgen machen, was Danny mit uns anstellt!«
    Esteban sieht zu den Kindern runter.
    Es ist falsch.
    »Ich mach’s nicht.«
    »Einen Scheiß machst du nicht«, sagt Juan Carlos. Er zieht sein Messer unter dem Regenmantel hervor und hält es Esteban an die Kehle. Zu zweit hat man eine sehr viel bessere Chance, das Rettungsboot durch die aufbrausende See zu steuern, als alleine.
    »Okay, okay«, sagt Esteban. Er hilft Juan Carlos, das Rettungsboot loszumachen und über Bord herunterzulassen. Das dauert eine Weile, denn bei seiner ständigen Berg- und Talfahrt droht der Kahn zu kentern und sie müssen mehrmals unterbrechen und warten. Juan Carlos und er klammern sich mit aller Kraft an die Reling, um nicht ins Meer geschleudert zu werden.
    Sie lassen das Boot herunter, aber sie können nicht hineinklettern, denn der Kahn neigt sich in derselben Richtung, liegt seitlich beinahe flach auf dem Wasser auf, und nur wenige Zentimeter trennen ihn vor dem Umkippen. Juan Carlos rutscht auf das Wasser zu, findet aber gerade noch Halt an der Reling, seine starken Hände klammern sich ans Leben.
    Esteban tritt auf die Hände des alten Mannes.
    Er hält sich selbst fest, tritt noch einmal und noch einmal, während Juan Carlos auf ihn einbrüllt. Aber Esteban tritt fest zu. Juan Carlos lockert seinen Griff nicht, aber seineFinger brechen unter Estebans Tritten und der ältere Mann verliert den Halt und gleitet in den Ozean. Er versucht noch, Estebans Bein zu packen und den Jungen mitzureißen, aber seine Hände sind zu kaputt, um zu greifen, und das Meer zerrt ihn weg.
    Juan Carlos kann nicht schwimmen.
    Esteban sieht, wie er einen Augenblick lang kämpft

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