Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
vor Tiffany’s im absoluten Halteverbot parkte.
Nur, dass sich die Szenerie in den letzten Jahren schleichend verändert hat – Gangs aus anderen Stadtteilen drängen ins Nachtleben von PB; in den Clubs und auf den Straßen kommt es immer häufiger zu Schlägereien. Eine Schande, denkt Boone im Vorbeifahren, dass die lockere Surferatmosphäre allmählich einer von Alkohol und Gangs geprägten Raserei weicht und sich kleine Kabbeleien in Bars zu Prügeleien auf der Straße auswachsen. Es ist seltsam – dort, wo früher Schilder mit der Aufschrift »Keine Hemden, keine Schuhe, keine Bedienung« hingen (man hätte hinzufügen können: »Keine Angst, du kriegst schon was«), verbieten jetzt neue Schilder das Tragen von Gangabzeichen, Kappen, Kapuzenpullis und sonstigen Insignien.
PB verliert seinen guten Ruf: Es gilt als heruntergekommen und zunehmend gefährlich, der Familientourismus verlagert sich nach Mission Beach oder hinauf nach Del Mar, während PB den jungen Alleinstehenden, den Säufern und den Gangs überlassen wird, und das ist echt Scheiße.
Boone hatte sowieso noch nie viel für Veränderungen übrig, und für diese Art von Veränderung schon gar nicht. Aber PB hat sich verändert, massiv seit Boones Kindheit. Er hatte gesehen, wie die Stadt in den achtziger Jahren unter Reagan explodiert war. Hundert Jahre nach dem ersten Immobilienboom hatte Pacific Beach einen weiteren erlebt. Nur ging es diesmal nicht um Landparzellen für einstöckige Cottages, sondern um Eigentumswohnanlagen und Riesenhotels, die jene kleinen Cottages ins Reich der sentimentalen Erinnerungen verbannten und den wenigen Überlebenden das Sonnenlicht und den Meeresblick stahlen. Und mit den Eigentumswohnanlagen kamen auch die großen Ketten, weshalb es in Pacific Beach größtenteils genauso aussieht wie überall sonst auch, und die kleinen Läden, denen derOrt seinen Charme zu verdanken hatte – Läden wie der Sundowner und Koana’s Coffee – zu seltenen Ausnahmen geworden sind.
Und die Preise stiegen beständig weiter, so dass durchschnittliche Arbeitnehmer, die Leute also, die die Stadt aufgebaut hatten, heute nur noch davon träumen können, sich ein Haus in Strandnähe zu kaufen, wo PB das befremdliche Schicksal eines Reiche-Leute-Ghettos droht: Die Wohlhabenden verrammeln sich nachts in ihren Häusern, während betrunkene Touristen und räuberische Banden die Herrschaft über die Straßen an sich reißen.
Boone ist, mit Petra neben sich, in östlicher Richtung unterwegs. Vorbei an den Clubs und Bars, dann an den Cafés, den ethnischen Restaurants und Tätowierstudios, den Esoterikshops, Second-Hand-Läden und Fast-Food-Restaurants, bis er in ein Wohnviertel kommt, in dem es kaum noch Geschäfte gibt. Er überquert den Interstate 5, wo die Garnet zur Balboa Avenue wird, und biegt auf den Parkplatz von Triple A Taxi ein.
Direkt um die Ecke ist die alte Fabrik von Consolidated Aircraft, wo Reuben Fleet den Krieg gewann und Pacific Beach verloren ging.
18
Das Büro des Taxiunternehmens ist klein und befindet sich in einem ehemals weißen Schindelhaus, das dringend einen neuen Anstrich gebrauchen könnte. Ein Sicherheitsgitter aus Metall ist hochgezogen und gibt den Blick auf das verblichene rote Firmenlogo frei, das mit Hilfe einer Schablone auf die Schaufensterscheibe gesprüht wurde. Zur Linken befindet sich eine Garage, in der ein Taxi aufgebockt steht. Ein weiteres halbes Dutzend Taxis parkt willkürlich über den Parkplatz verteilt.
»Sie warten hier, okay?«, sagt Boone beim Ausschalten des Motors.
»Soll ich mich hier etwa auf einen Flirt mit einer Hepatitis-C-Infektion einlassen, wozu?«, fragt Petra.
»Bleiben Sie einfach nur sitzen«, sagt Boone, »und versuchen Sie möglichst aggro zu gucken.«
»Aggro?«
»Verärgert«, übersetzt Boone, »Wütend, sauer, genervt.«
»Das wird mir nicht schwerfallen«, sagt sie.
»Hätte mich auch gewundert.« Er nimmt seine Uhr ab und gibt sie ihr. »Nehmen Sie die. Lassen Sie sie auf dem Schoß liegen.«
»Soll ich die Zeit stoppen?«
»Tun Sie’s einfach. Bitte, ja?«
Sie lächelt. »Cheerful hat behauptet, Sie trügen einen Sonnenstandsanzeiger.«
»Ja, ein echter Scherzkeks.«
Boone überquert den Parkplatz und geht in das Abfertigungsbüro. Ein junger Äthiopier hat die Füße auf die Schreibtischplatte gelegt und kippelt auf dem Stuhl. So gut wie sämtliche Taxiunternehmen in San Diego sind in der Hand von ostafrikanischen Einwanderern. Triple A Taxi ist
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